Arabischer und islamischer Antisemitismus im Wandel

Von Thomas v. der Osten-Sacken, April 2004

Die Sprache des Islamismus ist klar und deutlich genozidal. Eine Wiederholung des Massenmordes an den Juden wird angestrebt, das ist schwarz auf weiß nachzulesen.“

Jehuda Bauer 2002

Schon vor fast zwanzig Jahren bemerkte der Orientalist Bernhard Lewis, der damals mit dieser Feststellung ziemlich alleine stand, es stehe „außer Zweifel, daß Araber sich mit antisemitischer Aktivität befassen, in keiner Weise verschieden von derjenigen, die viele Jahrhunderte lang die Geschichte des christlichen Europas entstellt hat.“ Seitdem hat die Anzahl antisemitischer – nicht israelfeindlicher – Äußerungen arabischer oder islamischer Politiker, Journalisten oder geistlicher nicht nur kontinuierlich zugenommen, sondern dieser Antisemitismus wird auch in Form von Suicide Bombings und anderen Massakern gegen Zivilisten nicht nur in Israel konsequent in die Tat umgesetzt. Es handelt sich, wie zu sehen sein wird, um einen eliminatorischen Antisemitismus, der keineswegs nur das Ziel verfolgt Israel auszulöschen, sondern sich getreu der Goebellschen Parole „Wer Jude ist bestimme ich“ gegen alle, die als Feinde definiert werden, richtet. Als etwa im Frühjahr sich Mitglieder der radikalislamistsichen Organisation Ansar al Islam in der irakisch-kurdischen Hauptstadt Arbil in die Luft sprengten und über hundert Menschen töteten, wurde dies auch als Akt gegen die Zionisten bezeichnet.

Obwohl aber seit Jahrezehnten bekannt ist, dass es sich um einen Antisemitismus handelt, der inzwischen in Vielem wie eine Kopie des nationalsozialistischen erscheint und momentan die blutigste und gefährlichste Form ist, die die globale antisemitische Bewegung angenommen hat, der sich zudem staatlicher Unterstützung erfreut – etwa durch Länder wie Iran, Syrien und Saudi Arabien (und bis zum Sturz Saddam Husseins durch den Irak) und inzwischen Tausende von Opfer gefordert hat, spielt dieses Phänomen immer noch eine marginale Rolle. Leute die erklärtermaßen die Weltherrschaft anstreben, wie Al Qaida und den Tod aller Juden fordern, werden noch immer als irgendwie fehlgeleitete Ronin Hoods verniedlicht, der arabische Antisemitismus als Reaktion auf israelische Okkupation und amerikanischen Imperialismus irgendwie als „Kampf der Unterdrückten“ beschrieben.

Kurz das Phänomen wird aus Gründen, die wir später diskutieren können, nicht ernst genommen, ebenso wenig wie in den zwanziger Jahren Hitlers „Mein Kampf“ ernst genommen wurde. Statt die Gefahr, die unbestritten besteht, zu benennen führt man in Europa im Gegenteil weiter „Kritische Dialoge“.

Dabei gilt, was der Antisemitismusforscher Leon Poliakov schon vor Jahren schrieb: „Wer den Antisemitismus in seiner primitiven und elementaren Form nicht anprangert, und zwar gerade deshalb nicht, weil er primitiv und elementar ist, der muss sich die Frage gefallen lassen, ob er nicht dadurch den Antisemiten in aller Welt ein Zeichen heimlichen Einverständnisses gibt.?

2) Ich will eine kurze historische Genese und Einordnung vorstellen und meine These Zugrunde legen, dass zwar Antisemitismus in der islamischen Welt momentan virulenter und weit gefährlicher ist als in Europa oder der Antiglobalisierungsbewegung (auch weil er staatlich ge- und unterstützt wird) aber eben von oben nach unter sickerte und von da her auch die Hoffnung besteht ihn zu bekämpfen

3) Und zum Schluss einen kurzen Ausblick geben

Der arabisch-islamische Antisemitismus im Nahen Osten wurde jahrelang sogar verniedlicht und beschönigt als etwas missratener aber nicht weiter gefährlicher Ausdruck des arabischen „Befreiungskampfes“ gegen die israelische Okkupation.

In einem durchaus für unzählige arabische Medien repräsentativen Statement erklärte beispielsweise die Zeitung der Palästinensischen Autonomiebehörde Al Hayat al Jedida mitten in den Friedenszeiten, die dem Oslo Abkommen folgten, 1997: „Das Schicksal des palästinensischen Volkes ist es, gegen die Juden im Auftrag des arabischen Volkes, der islamischen Völker und der Völker der ganzen Welt zu kämpfen. “

Derartige Äußerungen können inzwischen fast als die Regel bezeichnet werden, sie sind – und das dürfte weltweit momentan einzigartig sein – Teil der offiziellen staatlichen Propaganda (und keineswegs unter Strafe gestellt), und finden Niederschlag auch in den arabischen Schulcurriculae. In einem, von der EU finanzierten Schulbuch – und dies ist nur eines unter Tausend Beispielen – in den Palästinensergebieten etwa heisst es: „Es gibt keine Alternative zur Zerstörung Israels. (…) Vielleicht hat Allah die Juden in unser Land gebracht, um sie auszulöschen, wie es bei ihrem Krieg gegen Rom geschah.“

Schon Mitte der 70er Jahre warnte deshalb der israelische Wissenschaftler Yehoshofat Harkabi „Nirgendwo ist seit dem Untergang Nazideutschlands so viel antisemitische Literatur veröffentlicht worden wie in der arabischen Welt. Das eigentlich beunruhigende an dieser Tatsache ist aber, daß dieses Schrifttum von offiziösen oder staatlichen Verlagen herausgebracht wurde – nicht von Randgruppen der arabischen Gesellschaft, sondern von Kräften aus ihrer Mitte.“

Die Protokolle der Weisen von Zion beispielsweise werden im Iran und Saudi Arabien staatlicherseits vertrieben und „Mein Kampf“ führte jahrelang die Bestsellerlisten im Libanon und den Palästinensergebieten an und das staatliche ägyptische Fernsehen zeigte gerade eine dezidiert antisemitische Serie.

Der Antisemitismusforscher Robert Wistrich attestiert inzwischen dem arabisch-islamischen Antisemitismus ein „geschlossenes genozidales Wahngebilde“ zu sein, dass sich in einem bislang unbekannten Maße in den „politischen Körper des Islam“ eingefressen habe. „Antisemitische Verschwörungstheorien“ schreibt er in einer kürzlich veröffentlichten Studie „bilden das Herzstück der muslimisch-fundamentalistischen und arabisch-nationalistischen Weltanschauung, die plutokratische Finanziers, das internationale Freimaurertum, Säkularismus, Zionismus und Kommunismus als dunkle, okkulte Kräfte bezeichnet, die von der Krake des Weltjudentums angeführt werden und deren erklärtes Ziel es ist, den Islam und die kulturelle Identität der Gläubigen zu zerstören.“

Dies bezieht sich nicht nur auf den Nahen Osten und die islamische Welt, auf Sunna und Schi’a ebenso wie auf arabische Christen (viele antisemitische Äußerungen stammen von Nichtmuslimen), sondern auch auf Europa, wo dschihadistische Organisationen wie die (inzwischen verbotene) Hizb al-Tahrir offen zum Mord an Juden aufrufen.

Es handelt sich bei diesem Phänomen, lassen Sie mich das noch einmal betonen, also keineswegs um irgendwelche Randgruppen, sondern es sind Staatschefs, die im Nahen Osten ebenso wie die höchsten Kleriker zum Massenmord an den Juden aufrufen, die sie wahlweise als Abkömmlinge von Affen, die wahren Nazis, oder als Inkarnationen des Bösen und die heimlichen Herrscher der Welt titulieren. Nirgends sonst auf der Welt gibt es auch regierungsamtliche Zeitungen, die regelmäßig entweder den Holocaust leugnen oder gar gutheißen und Minister sich mit der Verfassung antisemitischer Grauelegeschichten befassen.

Auffällig ist zudem, dass es so gut wie keine öffentliche Kritik oder Distanzierung in der arabischen Welt gibt, die wenigen Intellektuellen, die etwa dezidiert Selbstmordattentate oder die permanente Leugnung des Holocaust verurteilen, sind nicht nur in der absoluten Minderheit, sondern werden ihrerseits als „Agenten“ des Feindes angegriffen.

Antisemitismus und Antizionismus

Diese Entwicklung, die in Europa, wie der britische Oberrabbiner Jonathan Sacks kürzlich bemerkte, wo nicht auf Verständnis so zumindest auf keine namhafte Gegenwehr stößt, zwingt auch Geschichte neu zu betrachten. In den meisten Abhandlungen über den Nahostkonflikt spielt bislang erstaunlicherweise Antisemitismus bestenfalls nur am Rande eine Rolle, oft wird er sogar legitimiert als „Antizionismus“, der ja angesichts der israelischen Politik nur gerechtfertigt sei.

Der historische Kontext des arabischen-islamischem Antisemitismus aber ist von ganz praktischer Bedeutung, gibt es doch im Nahen Osten den Staat Israel, der sich als jüdisches Staatswesen definiert. Es muss also keineswegs Ausdruck antisemitischer Gesinnung sein, wenn man explizit den Zionismus kritisiert oder den Staat Israel in seiner jetzigen Form ablehnt. Dezidiert antizionistische Organisationen wie die arabisch-israelische Hadasch verweigern sich weitgehend der Übernahme antisemitischer Stereotype und auch andere Palästinenser beharrten auf einer rigiden Trennung zwischen „Juden“ und „Zionisten“, wobei zunehmend fraglich wird, ob diese Trennung eingehalten wird. Das wiederum heißt nicht, alle Araber seien Antisemiten, oder Kritik an Israel sei per se antisemitisch. Die Fülle antisemitischer Äußerungen und Taten aber, die vor allem in den vergangenen Jahren extrem zugenommen haben, zwingen dazu, sich vom Mythos zu verabschieden, es handele sich um einen durchaus legitimen Antizionismus, der in Krisensituationen etwas schrill wird und quasi als „Kriegsrassismus“ zu Übertreibungen neigt.

Islam und Judentum im Mittelalter

Als zentrale Frage stellt sich deshalb, ob Antisemitismus in der islamischen Welt ein Massenphänomen ist (wie in Europa), das sich auch auf entsprechende traditionell und religiös fundierte Elemente stützen kann, oder vor allem eines der Eliten, das sich erst in den letzten 150 Jahren entwickelt hat. Bernhard Lewis kommt in seiner Untersuchung über die Genese des arabischen Antisemitismus im Islam zu dem Schluss, daß in den „rund vierzehnhundert Jahre(n) der arabisch-jüdischen Beziehungen die Araber tatsächlich nicht antisemitisch in dem im Westen gebrauchten Sinne des Wortes (waren) – nicht weil sie selbst Semiten sind, eine Aussage ohne Inhalt, sondern weil sie zum allergrößten Teil keine Christen sind.“

Im Gegensatz zur christlichen Tradition wurden im Islam beispielsweise keine Geschichten vom jüdischen Gottesmord gelehrt, die im Koran dies als „blasphemische Absurdität abgelehnt“ werden. Juden wie Christen genossen als monotheistische Buchreligionen Toleranz und verbürgte Rechte in der vom Islam vorgeschriebenen Form (Dhimmis), während sie gleichzeitig als minderwertig und verächtlich galten. Anders als im christlichen Europa, wo die Juden obsessiv die Phantasie ihrer Verfolger beherrschten, spielten sie in der islamischen Welt als Feindbilder nur eine untergeordnete Rolle.

Trotzdem finden sich im Koran dezidiert antijüdische Stellen, auf die sich heute mit Vorliebe islamistische „Prediger“ berufen und die so mit einer neuen Bedeutung aufgeladen werden. So spielt Mohammeds Kampf gegen die jüdischen Stämme in Medina eine wichtige Rolle in vielen Koransuren und je nach politischem Standort des Betrachters können diejenigen Stellen im Koran die zum Judenmord oder diejenigen die zur Duldung nichtmuslimischer Minderheiten aufrufen in den Vordergrund gestellt werden. Die islamistischen Bewegungen legen seit einigen Jahrzehnten einen dezidierten Schwerpunkt auf die antijüdischen Teile des Koran. So falsch es also ist, den Islam zu einer ähnlich antijüdischen oder antisemitischen Religion zu erklären wie das Christentum, so falsch ist es, den Islam als besonders tolerante Religion zu bezeichnen, die keinen Antisemitismus gekannt habe. Die Juden, wie auch andere Minderheiten, jedenfalls hatten sich der islamischen Ordnung auf jeden zu unterwerfen. Eine Ordnung, die etwa auch den „gelben Fleck“ hervorgebracht hat, der ursprünglich „erfunden“ wurde im abassidischen Bagdad. Vor allem in den Randregionen des osmanischen Reiches, im Jemen oder in Saudi Arabien gab es zudem immer extrem judenfeindliche Gesetze und Tendenzen, die unter dem Hause Saud durchaus prä-antisemitische Züge annahmen. Es ist von daher auch kein Zufall, dass bis heute Saudi Arabien ideologisch eine der Hochburgen des äußerst antisemitischen wahabitischen Islamismus ist.

Das Zeitalter des Imperialismus

Mit der kolonialen Durchdringung des Nahen Ostens und dem Verfall des osmanischen Reiches veränderte sich das Verhältnis zwischen Muslimen und den in der Region lebenden Minderheiten rapide. Zeitgleich schleppten vor allem christliche Missionare antisemitische Schriften in den Nahen Osten ein. In ihrem Versuch ihren Einfluß in der Region auszudehnen, setzten die europäischen Großmächte vor allem auf diese Minderheiten.

Fortan gerieten die verschiedenen konfessionellen Minderheiten der Region zunehmend in den Verdacht, „Agenten“ der europäischen Mächte zu sein und damit wurde ihre Bedeutung im Kontext kolonialer Ausbeutung ideologisch aufgewertet, kurz die der Nichtmuslime hörten zunehmend auf, in moslemischen Augen verächtlich zu sein, und wurden gefährlich.

Zugleich adaptierten diese christlichen Minderheiten unter dem Einfluß europäischer Missionare antijüdische und antisemitische Elemente moderner Ausprägung: Ab 1869 erschienen die ersten Übersetzungen antisemitischer Texte vor allem im christlichen und unter französischen Einfluß stehenden Libanon, die in den folgenden Jahren kontinuierlich zunahmen. Überall im osmanischen Reich wurden nun Ritualmord-Anklagen laut, die in der Regel von Boykottaufrufen jüdischer Geschäfte begleitet wurden. Einen vorläufigen Höhepunkt fand diese Kampagne 1840 in Damaskus, wo mit Hilfe des französischen Botschafters mehrere Juden angeklagt wurden einen Ritualmord begangen zu haben.

Die Dreyfuss Affäre forcierte diesen Prozess dann erheblich: Französische Priester im Libanon und Syrien stellten sich en bloc hinter die Anti-Dreyfussards, während sich in Beirut die muslimisch arabische Presse eher mit Dreyfuss identifizierte.

Daß antisemitische Themen trotzdem zunehmend Verbreitung fanden, leitet sich sicher auch aus der kolonialen Politik europäischer Staaten und der Gegenreaktion eines erwachenden arabischen bzw. islamischen Nationalismus ab, der sich aus dem unerschöpflichen Repertoire des europäischen Antisemitismus bediente. In Kairo und Damaskus, den geistigen Zentren des arabischen Nationalismus, übernahmen Autoren nun auch gewisse „moderne“ antikapitalistische Elemente des europäischen Antisemitismus und begannen die Juden für die imperialistische Durchdringung des Nahen Ostens verantwortlich zu machen. Hinter der laizistisch-nationalistischen Revolution der Jungtürken 1908 etwa wurden „jüdische Drahtzieher“ vermutet, eine Verschwörungstheorie, die in konservativen Kreisen von nun an allgemein anerkannt wurde.

Wenn auch weit weniger ausgeprägt als in Europa stellte der Antisemitismus in der arabisch/ islamischen Welt aber auch eine Reaktion auf die Modernisierungsschübe des 19. und frühen 20. Jahrhunderts dar, die mit der kolonial-imperialistischen Durchdringung des Nahen Osten alleine nicht zu erklären ist. Vielmehr entwickelten besonders neue urbane Schichten – wobei es sich um progressive Elemente ebenso handeln konnte wie um reaktionäre – antisemitische Vorstellungen, mit denen sie sich die einschneidenden Veränderungen und ihren eigenen Bedeutungsverlust zu erklären versuchten. So geriet ab der Jahrhundertwende der Antisemitismus ähnlich wie in Europa, wenn auch „nur“ auf die Eliten beschränkt, zur holistischen Welterklärung, mit der sowohl der Niedergang des osmanischen Reiches, der Verfall der islamischen Gemeinschaft, der „Umma“, als auch im säkularen Bereich die Schwäche der arabischen Einheitsbestrebungen erklärt werden konnten. Früh schon verband sich ein Kampf gegen „Fremdbestimmung“, der gegen Großbritannien und Frankreich gerichtet war, mit dezidiert antijüdischen Elementen, die den populären Schriften aus Europa, etwa den „Protokollen der Weisen von Zion“ entnommen wurden. Zugleich konnte man auch unter kolonialer Herrschaft weitgehend ungestört gegen die Juden hetzen und sich oftmals sogar gewissen Symphatien von Franzosen, Russen, Deutschen oder Briten sicher sein.

Anders als in Europa sahen sich die Menschen im Nahen Osten allerdings mit einem realen jüdischen „Gegner“, der zionistischen Bewegung konfrontiert. Die Tatsache, dass selbstbewusste Juden aus Europa, Frauen und Männer, begannen, sich in Palästina anzusiedeln, löste seit Ende des letzten Jahrhunderts so etwas wie einen bis heute andauernden Schock aus und zerstörte das bislang vorherrschende Bild vom Juden als verächtlichen und minderwertigen Wesen.

In der Frühphase der jüdischen Einwanderung nach Palästina überwiegt allerdings noch die Abwehr der Neuankömmlinge als Agenten Europas und Ausländer. Arabische Exilanten, die in Paris die Dreyfuss-Affäre miterlebt hatten, sahen dagegen bereits im frühen Zionismus eine Verschwörung, der eschatologische Züge angedichtet wurden, eine Sichtweise, die sich später sukzessive durchsetzen sollte. So hieß es in einer in Paris erscheinenden Schrift um die Jahrhundertwende Araber und Juden seien „vom Schicksal dazu bestimmt, einander so lange zu bekämpfen, bis eine der beiden obsiegt. Das Schicksal der gesamten Welt wird von dem Endergebnis des Kampfes dieser beiden Völker abhängen, die zwei einander entgegengesetzte Prinzipien verkörpern.“

Allerdings war der erwachende arabische Nationalismus selbst, folgt man Yehoshua Porath, nur sehr marginal antisemitisch, obzwar er sich radikal gegen die zionistische Besiedlung Palästinas wendete.

Erst in Folge der Balfour-Deklaration 1917, der Aufteilung des Nahen Osten zwischen Franzosen und Briten und dem Erstarken des arabischen Nationalismus, wird es immer schwerer zwischen antizionistischen und antisemitischen Äußerungen zu unterscheiden. Die konkrete Kritik am zionistischen Programm, in Palästina eine jüdische „nationale Heimstätte“ zu errichten, verbindet sich von nun an häufig mit globalen Anklagen gegen die Boshaftigkeit der Juden, denen unter anderem nun vorgeworfen wird die Drahtzieher und Nutznießer hinter der Aufteilung und Schwächung Arabiens zu sein. 1921 kommt es zu den ersten Aufständen palästinensischer Araber gegen die zionistische Besiedlung, denen weitere folgen sollten. Eines der ersten genuin antisemitischen Pamphlete innerhalb Palästinas, ein 1929 herausgegebenes Flugblatt, erschien dann auch im Rahmen der bislang heftigsten arabischen Aufstände, in deren Folge ein Pogrom an der alteingesessenen jüdischen Gemeinde von Hebron verübt wurde: „O Araber. Erinnere Dich daran, daß seit Urzeiten alle Juden Deine und Deiner Vorfahren schlimmsten Feinde sind. Laß Dich nicht von Ihren Tricks in die Irre führen, weil sie es sind die Jesus folterten – Friede sei mit ihm – und Mohammed vergifteten – Friede und Seligkeit für ihn. Es sind die Juden die sich jetzt anschicken Dich abzuschlachten, wie es gestern mit deinen Vorfahren taten.“

Spätestens seit 1929 mischen sich säkulare und islamische Motive in der antijüdischen Propaganda, wobei sich im Antisemitismus religiöse und arabisch-nationalistische Bewegungen, die ansonsten untereinander heftig zerstritten sind, vermischen. Ein Phänomen, das besonders nach Ausbruch der sogenannten Al Aqsa Intifada wieder bedeutsam wird.

Der Antisemitismus gewinnt in den Folgejahren eine immer bedeutsamere Rolle innerhalb des arabischen Nationalismus: Über das gemeinsame Feindbild geht nun eine säkulare Redefinition des Arabertums vonstatten, als ein Kollektiv, in dem sich Christen und Muslime im gemeinsamen Haß gegen Juden/ Zionisten zu vereinigen. Zunehmend werden den Zionisten essentielle Eigenschaften zugesprochen und „Zionismus“ gerät zu einer Chiffre für Imperialismus, Fremdbestimmung und auch Kommunismus.

Zugleich bietet er sich islamischen Gelehrten als Erklärung für die Dekadenz und den Verfall der „Umma“ der Gemeinschaft der Gläubigen an. Insbesondere die Muslimbrüderschaft, die sich 1928 in Ägypten gründete, eng mit dem wahabitischen Islam, wie er in Saudi Arabien praktiziert wurde verbunden war, und ein dschihadistisches Konzept von Islamismus mit gewissen sozialrevolutionären Elementen verband, adaptierte früh eine antisemitische Welterklärung, die den Zionismus als wichtigen Teil einer größeren gegen den Islam gerichteten Verschwörung betrachtete. Sie, die zeitweilig bis zu einer halben Million Anhänger hatten (Küntzel), verstand sich als revolutionäre internationalistische gegen Kapitalismus, Fremdherrschaft und Kommunismus gerichtete Bewegung des wahren Islam. Einer ihrer Gründer Said Al-Qutb ist Verfasser des Buches „Unser Kampf mit den Juden“, das bis heute als Grundlage des islamistisch-antisemitischen Grundverständnisses gilt. Für Qutb, wie später für die aus den Muslimbrüdern hervorgegangenen Hamas und Al Qaida, stellen Juden das ewige Gegenprinzip zum wahrten Islam dar, der nur mittels ihrer Vernichtung weltweit wieder errichtet werden kann, da Juden für alle Krankheiten der Moderne (Kommunismus, Atheismus, Frauenemanzipation, Geldherrschaft) verantwortlich seien.

Araber und Nazis

Nicht so sehr diese Islamisten als die Führer der arabischen Parteien standen dann auch mehrheitlich Mussolinis Italien und später dem Nationalsozialismus positiv gegenüber. Wie Sami al Jundi, Ex Führer der syrischen Ba‘ ath Partei rückblickend feststellte, „waren (wir) vom Nazismus fasziniert (…) Wer in Damaskus lebte, dem konnte die Affinität des arabischen Volkes zum Nazismus (…) nicht verborgen bleiben.“ Eine Affinität, die auch den Widerspruch überlebte, daß die Nazis bis 1941 die jüdische Auswanderung nach Palästina förderten und sogar forcierten. Viele arabische Führer und allen voran der Mufti von Jerusalem Hadschi Amin Al Hussaini pflegten freundschaftlichen Kontakt mit Nazideutschland und hofften auf ein deutsch-panarabisches Bündnis. Hitlers Einstellung zu den Arabern war eine ambivalente; bezeichnete er sie 1939 noch als „bemalte Halbaffen“, so bedauerte er in seinem berühmten Testament von 1945, daß die Nazis nicht den arabischen Ländern die Unabhängigkeit gegeben hatten.

Die Ausmaße der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik waren dem Mufti von Jerusalem, der im deutschen Exil lebte, nicht nur bekannt, sie wurde von ihm ausdrücklich begrüßt, wie eine Rundfunkrede belegt: „Wenn (…) England verliert und seine Verbündeten besiegt werden, dann wäre die jüdische Frage, die für uns die größte Gefahr darstellt, endgültig gelöst; alle Drohungen gegen die arabischen Länder würden hinfällig, Millionen von Arabern würden befreit, und viele Millionen Moslems in Asien und Afrika wären gerettet.“ (S. 184 f.) Hitler nämlich hatte folgende Ankündigung in Aussicht gestellt: „Sobald die deutschen Armeen im Kaukasus aufmarschiert sind, werde ich eine öffentliche Erklärung abgeben: Die Zeit der Befreiung für die arabische Welt ist gekommen. Das einzig deutsche Interesse dabei ist die Vernichtung der Juden. Der Mufti ist der legitime Vertreter der arabischen Welt.“ Glücklicherweise erschienen die deutschen Armeen nie im Kaukasus, sondern wurden in Stalingrad aufgerieben

Auch in anderen arabischen Ländern fand die Politik der Nazis breite Unterstützung. So gehörte etwa der spätere ägyptische Präsident Anwar al Saddat zu einer Gruppe von ägyptischen Offizieren, die offen mit den Nazis sympathisierten und Gamal Abd al-Nasser erklärte der Deutschen Nationalzeitung am 1 Mai 1964, daß „während des Zweiten Weltkrieges unsere Sympathien den Deutschen gehörten.“

Anhand der damaligen deutschen Außenpolitik im Irak, der damals zwar de jure unabhängig, de facto aber unter britischem Einfluss stand, lässt sich der direkte „Export“ antisemitischen Gedankengutes nachzeichnen. Früh in den 30er Jahren begannen deutsche „Gesandte“ ihren Einfluss in den panarabischen Clubs in Bagdad auszubauen. Fast alle Zeitungen, die offen antisemitische Hetze betrieben wurden aus Berlin finanziert und auch redigiert. Stärker noch als die Muslimbrüderschaften zeigte sich die panarabische Intelligentzia vom nationalsozialistischen Programm fasziniert; man hatte die gleichen Feinde (Imperialisten, Westen, Materialismus, Judentum) und hing ebenfalls einer Pan-Ideologie an. 1941 putschten sich in Bagdad deutschfreundliche Offiziere unter Rashid Ali, der später mit dem Mufti in Berlin sein Unwesen treiben sollte, an die Macht und erklärten unter anderem die „Judenfrage so lösen zu wollen, wie es die Deutschen getan hatten.“ In Folge dieses Putsches sollte es in Bagdad zu einem ersten großen Pogrom in der arabischen Welt kommen. Die Ba’ath Partei im Irak beruft sich bis heute positiv auf Ali und hat auch seine extrem antisemitischen Vorstellungen übernommen. Als sie sich endgültig 1969 an die Macht brachte, galten im Irak schon seit zwei Jahren antijüdische Gesetze nach dem Vorbild der Nürnberger Rassegesetzgebung. Ihr faschistisch-panarabisches Programm, das den Irak in eine der übelsten zeitgenössischsten Diktaturen verwandeln sollte, der bislang über eine Hunderdtausende Zivilisten unter der Herrschaft Saddam Husseins zum Opfer gefallen sind, wurde zuerst an den wenigen verbliebenen Juden des Landes exekutiert, die in Schauprozessen der Spionage angeklagt und dann öffentlich hingerichtet wurden. Noch vor wenigen Jahren etwa erklärte der irakische Vize Tarik Azis einem UN-Waffeninspekteur man habe Giftgas- das ja auch exzessiv eingesetzt wurde – gegen „Perser, Juden und andere Insekten“ entwickelt.

Aber auch in anderen arabischen Staaten knüpfte man faktisch an den Nationalsozialismus an, nicht nur indem man nach 1945 Nazis großzügig Asyl gewährte. Bis in die 60er Jahre, als Ägypten, Syrien und die palästinensische Nationalbewegung unter sowjetischen Einfluß gerieten, blieb das Wort Nazi vielmehr offiziell positiv besetzt. In unzähligen Artikeln wurde Hitlers antibritische und antikommunistische Politik gelobt ebenso wie seine Vernichtungspolitik gegenüber dem europäischen Judentum. Anläßlich des Eichmann Prozesses schrieb die Jerusalem Times (jordanisches Ostjerusalem) am 24. 4. 1961, Eichmann habe der Menschheit mit der Vernichtung von sechs Millionen Juden „einen wirklichen Segen erwiesen“; die Judenvernichtung werde eines Tages mit der „Liquidierung der verbliebenen sechs Millionen“ ihren Abschluss finden.

Unter sowjetischem Einfluss erst sind es gerade liberale und marxistische Parteien, die seit den 60er Jahren die Zionisten einerseits als die eigentlichen Nazis, andererseits als Erfüllungsgehilfen oder Brückenkopf des Imperialismus ins Zentrum ihrer „Analyse“ stellen. Der Zionismus wird zur so universalen Chiffre für den Imperialismus, dessen weltumspannende Gewalt im Umkehrschluß mit einer Weltverschwörung erklärt wird, die immer stärker die Züge des rassischen Antisemitismus tragen. Aber die vermeintlich ‚antiimperialistsiche‘ Phraseologie aus Moskau, die ihren antisemitischen Charakter nur mühsam kaschierte und von „linken‘ Organisationen und Staaten im Nahen Osten übernommen wurde, korrespondierte bestens mit älteren islamistischen Vorstellungen. Man teilte das gleiche Feindbild, hing ähnlichen Verschwörungstheorien an und stellte die Existenz des Judenstaates ins Zentrum seiner Weltanschauung.

Mit der iranischen Revolution wurde 1979 ein erklärt antisemitisches Regime an die Macht gebracht, dass umgehend begann seine Lehre weltweit zu exportieren. Zeitgleich nahm in Afghanisatn, unterstützt von den USA, jener Djihad gegen die Sowjetunion seinen Anfang, der die islamistische Bewegung, wie wir sie heute kennen, erst zu einer international vernetzten Kraft machte. Weder der Iran noch die in Afghanistan kämpfenden Mujaheddin hatten direkt etwas mit dem Palästina Konflikt zu tun.

Es mag verständlich sein, dass nach Ausrufung des Staates Israel 1948 und vor allem den arabischen Niederlagen in den Kriegen gegen Israel von 1956 und 1967 mag es auch dem tiefen Schock geschuldet sein, warum man seinen Gegner zu einer monströsen international unterstützten Agentur erklärte, um so die eigene Niederlage „verständlicher“ zu machen. Sicher halfen antisemitische Stereotype von der vermeintlichen „Weltmacht“ des Judentums darüber hinwegzukommen, dass 5 Millionen Israelis mehrmals ganze arabische Armeen schlagen konnten. Die permanente Zunahme des Antisemitismus nach dem Osloer Abkommen auch in Ländern wie Malaysia, Pakistan oder Indonesien erklärt das nicht. In dieser Zeit nahmen in arabisch-islamischen Welt der eliminatorische Antisemitismus rasant zu, vernetzte und organisierte sich und wurde zu wohl der wichtigsten ideologischen Grundlage der ganzen Region. Er wurde zum Welterklärungsmuster, zur Handlungsanleitung und zunehmend, ganz dem deutschen Vorbild folgend, zum Selbstzweck. Erst eine Welt ohne Juden ermöglicht, heißt es immer öfter, Frieden, Unabhängigkeit und eine islamische bzw. panarabische Wiedergeburt inmitten einer Welt sich selbst bestimmender Völker.

Dabei handelt sich keineswegs, wie so gerne in Deutschland behauptet wird, vornehmlich um eine Folge des israelisch-arabischen Konfliktes. Vielmehr wird Israel selbst längst nicht mehr als Nationalstaat oder als ein Vorposten des Imperialismus angeprangert, sondern als eine „jüdische Agentur“, als kleiner Satan, dem der große, die USA zur Seite gestellt wird. Nicht mehr die USA nutzt Israel in ihrem „imperialistischen“ Hegemonialstreben, wie es früher hieß, jetzt kontrollieren angeblich die Juden Amerika. Nicht eine Beilegung des Nahostkonfliktes ist es, was radikale Islamisten und Panrabisten anstreben, sondern seine Zuspitzung. Inzwischen kommen – teilweise etwas „islamisiert“ – dabei sämtliche pathischen Projektionen und Wahnsvorstellungen zum Tragen, die man aus der Geschichte des europäischen Antisemitismus kennt, wie Vergiftungsängste, Sexual- und Gewaltphantasien gepaart mit einem obsessivem Hass auf die Zirkulationssphäre. Juden werden für alle Folgen der Moderne verantwortlich gemacht, eigentlich alle Übel dieser Welt, politisch, moralisch und sozial sind auf jüdische Machenschaften zurückführbar.

Zusätzlich zeichnet sich vor allem der sunnitisch-wahabitisch-dschihadistische Islam durch eine genuine Märtyrer- und Todesverherrlichung aus, während schleierhaft bleibt, was eigentlich außer Vernichtung sein Ziel ist.

Dieser Antisemitismus hat sich nicht nur längst von Israel als territorialer Entität emanzipiert, inzwischen sind alle Juden böse, ja das Böse ist jüdisch geworden. Dabei bildet sich eine enge Matrix zwischen Antisemitismus und Antiamerikanismus, wie sie auch aus Deutschland bekannt ist. Bereits 1950 schrieb ein Abd al-Rahman in Ägypten »Die Juden und der Zionismus sind wie ein Baum des Bösen. Seine Wurzeln befinden sich in New York, seine Zweige erstrecken sich über die ganze Welt, seine Blätter sind die Juden. Sie alle, die Alten, die Jungen, die Männer und die Frauen, ohne Ausnahme, sind seine stachligen Blätter und giftigen Dornen.« Ganz ähnlich äußern sich heute sowohl Anhänger der Al Qaida als auch säkulare Araber, die die USA als „jüdische“ Agentur, die weltweit für Sittenverfall, Zersetzung, Liberalismus und Feminismus steht ins Zentrum ihres Wahns stellen und fordern sie müsse zum Wohle der Völker und des wahren Islam zerstört werden. Ungeachtet der Tatsache, dass Amerika in den 90er Jahren vier Mal zum Wohle von Muslimen militärisch interveniert hat wird vor allem das verjudeten „New York“ in Visier genommen. So erklärte Suleiman Abu Gheit, Sprecher der Al Qaida 2002, warum New York eine der zentralen Ziel seiner Organisation ist: „In Zusammenarbeit mit den Juden ist Amerika der Anführer des Verfalls und des Zusammenbruchs der Werte. (…) Amerika ist der Grund für alle Unterdrückung, alles Unrecht, alle Lasterhaftigkeit, die die Muslime unterjocht.1

Während Bewegungen wie al-Qaida zur Offensive schreiten, rechtfertigen arabische Regierungen regelhaft die desolate Lage vor Ort mit den äußeren Einflüssen von Juden und Imperialisten. Reflexhaft wird auf feindliche Agenten, den Zionismus und die USA verwiesen, sobald Kritik an der Verfasstheit der arabischen Gesellschaften geäußert wird. Je krisenhafter sich die Lage in der Region entwickelt, umso heftiger wird die antisemitische Propaganda, die aber weit mehr ist als nur eine simple Kanalisierung des Unmutes nach außen. (Verweis auf die UNDP-Studie)

Wenn der arabische oder islamische Antisemitismus, wie er sich gegenwärtig in Bewegungen wie Al Qaida, Hamas, Hizbollah, dem sog. Irakischen Widerstand“ formiert, könnte, wie er wollte – und momentan hindert ihn vor allem die israelische Armee und in maßen die USA daran, ein zweiter Holcaust wäre nicht ausgeschlossen, erwünscht ist er zumindest. Es geht konkret um die Zerstörung Israels und die Vernichtung der Juden weltweit, die als Repräsentanten der westlichen Moderne, des Individualismus und des seit der Aufklärung virulenten Glücksversprechens aus den Gründen gehasst werden, die heute auch hier Erwähnung fanden. Was täglich im Nahen Osten an Massakern exekutiert wird ist auch eine Verlängerung des europäischen Antisemtismus und funktioniert, weil hier diesen Bewegungen wo nicht Verständnis entgegengebracht wird so doch eine gewisse Duldung.

Es ist allerhöchste Zeit diesen Antisemitismus ernst zu nehmen, statt ihn als irgend etwas anderes zu beschönigen (Beispiel Madrid, 11. September etc.) und vor allem aufzuhören, aus vermeintlich antirassistischer Motivation den arabischen Antisemitismus in Schutz zu nehmen. Nicht nur bedroht er Israel, sondern auch unzählige andere Menschen im Nahen Osten. Er will, wie die Nazis zuvor, nicht weniger als die Weltherrschaft, er kann keine Kompromisse dulden, im gegenteil, Kompromissbereitschaft wird als Schwäche ausgedeutet. Und: obwohl wahnhaft, sind die Antisemiten in Arabien kühl denkende Strategen, die auf Zeit und eine Spaltung des Westens in Europa und Amerika setzen.

Dabei richtet sich ihr Hass ja keineswegs „nur“ gegen Israel und die Juden, auch all jene, die nicht mitmachen können oder wollen, ob die Opfer des Terrors im Irak (Bomben in Kurdistan), Schiiten in Saudi Arabien, unverschleierte Frauen im Gazastreifen oder die Oppositionellen in der arabischen Welt, gelten als Verräter und Judenfreunde. Anstatt dem Antisemitismus als Kultur oder Eigenart des Islams mit falschem Verständnis zu begegnen müsste er vielmehr radikal bekämpft werden – gemeinsam mit all jenen Menschen im Nahen Osten, die diesem Wahn noch nicht verfallen sind oder gegen ihn opponieren.

Wandel im Irak (kurz erwähnen) und Iran, wo die Studenten den Zusammenhang begreifen und mit der Parole „Leave Palestine alone; think about us“ demonstrieren und damit das Kernproblem treffen. Solange nicht die eigenen Regierungen als die Verantwortlichen für eine laut UNDP völlig untragbare Situation identifiziert werden, wird sich nichts ändern. Und im nahen Osten muß sich im Sinne aller Menschen endlich etwas ändern. Meir Litvak zitiert in diesem Zusammenhang den russischen Schriftsteller Andrei Sinaivski, der vor über 100 Jahren sagte, der Antisemitismus in Russland sei eine Katastrophe für die Juden, aber eine ebenfalls Krankheit der Russen und für ihre schlechte Lage mitverantwortlich; er hindere sie sich ihrer eigenen Situation zu stellen. Ebenso verhalte es sich mit dem arabischen Antisemitismus, der die Menschen hindere die wirklichen Ursachen ihrer de facto miserablen Lage zu sehen. Und die Lage im nahen Osten ist in der Tat miserablen. Sie gehört grundlegend geändert statt dass weiter immer nur auf die palästinensisch-israelischen Konflikt verwiesen wird, der, ich hatte es erwähnt ja keineswegs die Ursache des Übels ist, sondern dessen Aufrechterhaltung im vitalen Interessen aller Antisemiten gehört.

Thomas von der Osten-Sacken