Wadi Rundbrief Winter 2017: „Auf der Flucht“

Aus der Einleitung des aktuellen Dezember-Rundbriefes von Wadi:

Titel rundi

„Im Kern drehen sich die Konflikte, die Menschen zur Flucht bewegen darum: Während Gewalt in bürgerlichen Gesellschaften mehr oder weniger erfolgreich zurückgedrängt wurde, indem die Gewalt einerseits dem Privaten entzogen und dem Staat übertragen wurde, dessen Gewaltmittel andererseits unter das Recht gezwungen wurden, durchzieht Gewalt in Krisenregionen praktisch alle gesellschaftlichen Sphären. Gewalt wird nicht nur ausgeübt von Staaten und ihren Institutionen und erlitten von Menschen, denen die (Schutz-) Rechte des Bürgers gegen den Staat verwehrt werden, sondern von Bürgern selbst. Sie durchdringt selbst wirtschaftliche Beziehungen und vergiftet die Familien. Gewalt ist das Gegenmodell zur Freiheit. Sie entrechtet Menschen und macht sie zu Objekten. Dies ist das Berufsgeheimnis der Massenmörder und Diktatoren.

Vor Syriens Bashir al Assad überzog Saddam Hussein sein Land mit einer Orgie der Gewalt, deren Ausmaße weder mit militärischem Kalkül, noch mit einer realen Bedrohung durch oppositionelle Kräfte zu erklären waren.

Wahllose Hinrichtungen ohne konkrete Schuld, das Niederwalzen ganzer Dörfer mit Bulldozern und Panzern, der Einsatz chemischer Kampfstoffe gegen die Zivilbevölkerung hatten nur einen Sinn: zu demonstrieren, wie wenig der Einzelne und sein Leben wert ist. Bis heute prägt diese Erfahrung der Gewalt die gesamte irakische Gesellschaft. Und sie wird die syrische über Jahrzehnte prägen.

Gegen diese Gewalterfahrung haben wir in unserer Projektarbeit bereits vor Zeiten den Begriff der »Citizenship« entwickelt, der »Bürgerschaft«, der einhergeht mit der Idee, dass der Mensch als höchstes Gut sich selbst gehört (»selfownership«). Alle Programme zielen auf die eine oder andere Weise darauf, den Status von Bürgern wiederherzustellen.

non violence

Sei es, indem Frauen und Mädchen vor männlicher Gewalt geschützt oder vor einer Verstümmelungspraxis bewahrt werden, die sie zu Objekten autoritärer (männlicher) Moralvorstellungen macht; sei es mit einem Programm für die aus der IS-Sklaverei befreiten oder geflohenen ezidischen Frauen und Mädchen, die mehr benötigen, als ein Almosen und ein paar Krokodilstränen; oder sei es durch die Förderung lokaler Initiativen, die sich für ihre Belange einsetzen und Rechte einfordern. Wie wichtig und erfolgreich »Citizenship« ist, haben dieser Tage erst Frauenorganisationen aus dem ganzen Irak bewiesen.

Nach wochenlangen Massenprotesten hat die irakische Regierung einen Gesetzentwurf zur Einführung der Kinderehe wieder zurückgenommen.

Ein neues Programm nimmt sich nun dem Thema Gewalt direkt an. In der irakisch-kurdischen Region Germian fördert wadi Schulen, die sich einer gewaltfreien Erziehung verpflichten“

Download des ganzen Rundbriefes