Kulturerhalt

Erhalt und Restaurierung des kulturellen Erbes ist seit langem Teil von der Arbeit von Wadi im Irak

Wenn der Verlust realer Artefakte des Kulturerbes in das Bewusstsein tritt, erhält das Leben der Vergangenheit eine neue Bedeutung als wertgeschätzte Erinnerung. So ist das auch im Nordirak, nachdem in den letzten Jahren an vielen Orten die Altstädte großflächig abgerissen oder dem Verfall preisgegeben wurden und gleichzeitig die Städte ein explosionsartiges Wachstum erlebten, hängen plötzlich „Bilder von früher“ in den modernen Cafes.

Auch für WADI wird das Thema der Bewahrung von „Kulturerbe“ – Cultural Heritage – zu einer neuen, eigenständigen Sparte. Bisher eher am Rande größerer Kampagnen angesiedelt, spiegelt sich darin das aufkeimende Interesse der Menschen im Nordirak an einem sinnvollen Bewahren von historischen Relikten und neuen Formen von Erinnerungskultur. Wie bei unseren anderen Projektsparten steht auch hier der Gedanke voran, „Heritage“ nicht als abgetrenntes Gebiet, sondern im Verbund und im gesellschaftlich-politischen Kontext zu sehen.

Instandsetzung und touristische Erschließung eines zoroastrischen Heiligtums bei Dohuk

Beispielhaft steht dafür die Wiederherrichtung der archäologischen Anlage „Charsteen“ in einem beliebten Freizeitgebiet von Dohuk. Von der Anlage an einem Berghang, die einen Komplex von zoroastrischen Kultorten darstellt, sind größtenteils nur Grundmauern ausgegraben, Höhepunkt ist eine Höhle, die als Tempel diente und die vier Elemente Feuer, Wasser, Erde, Luft symbolisiert. Der Zugang ist über einen in den Felsen gehauener Tunnel. Der Ort, der früher durch einen Besucherweg erschlossen wurde, ist heute in Teilen verfallen.

In Kooperation mit der örtlichen Antikenverwaltung, der UNESCO und der Internationalen Arbeitsorganisation (IOM) wird hier nun die Anlage für Besucher wiederhergerichtet. Das Projekt ist dabei auf mehreren Ebenen wirksam: die Arbeiter und Arbeiterinnen müssen zu einem bestimmten Prozentsatz Flüchtlinge aus Syrien sein, es gibt auch eine Frauenquote. Die Umgebung des Ortes ist eine beliebte innerstädtische Ausflugsgegend, zu dem Projekt gehört deshalb auch die Wiederinstandsetzung eines bekannten künstlichen Wasserfalls: hier soll ein Picknickplatz enrstehen. Zu den ökonomischen Zielen gehört sowohl die Förderung der beschäftigten Flüchtlinge, wie eine Verbesserung des lokalen touristischen Angebots, die relativ gesehen wasserreiche, „grüne“ Gegend ist auch eine Attraktion für den innerirakischen Binnentourismus.

Noch einmal eine weitergefasste Bedeutungsebene gewinnt das Projekt, wenn man sich vergegenwärtigt, dass der „Islamische Staat“ mit seiner Vernichtungspolitik in der Region auch auf historische und kulturelle Monumente gezielt hat; zur Vernichtung und Vertreibung von Menschen gehört auch die Tilgung der Erinnerung, das ist eine furchtbare immer wieder erfahrene Praxis im Nordirak. Auch dies gibt dem Umstand eine tiefere Bedeutung, dass es hier bis heute noch Anhänger zoroastrischer Kulte gibt, für die der Feuertempel in der Höhle auch offiziell als Kultort gilt – Zoroastrier zahlen auch nicht das kleine Eintrittsgeld, das erhoben wird. Die Pflege dieses Ortes bedeutet somit auch ein Bekenntnis zur multireligiösen Geschichte der Region.

Revitalisierung eines Khans in Koya

koya schild

Aufstellung einer Informationstafel in der Altstadt von Koya

Ein weiteres aktuelles Projekt, das erst in den Anfängen steckt, ist die geplante Revitalisierung des Mahmud Agha Khans (Karawanserei) in Koya, der nur noch in Teilen erhalten ist. Koya gehört zu den Orten im Nordirak, die noch größere Altstadtareale aufweisen, allerdings in fortgeschrittenem Verfallsstadium. Darunter sind einige herausragende Bauten.

Notsicherungsmaßnahmen konnten den Verfall der Karawanserei stoppen, gemeinsam mit der Universität Koya und der Antikenverwaltung wurden auch drei historische Wohnhäuser dokumentiert. Ein nächster Schritt wäre das traditionelle Bauhandwerk, nämlich die Gipsbrennerei zusammen mit Steinmetzen, für die Restaurierungen wiederzubeleben. Auch hier ist die Kooperation international, u.a. mit zwei tschechischen Universitäten.

Restaurierung im Bazar von Erbil

Vor zehn Jahren, 2012 bis 2018, führte WADI in Erbil gemeinsam mit dem Department of Antiquities, lokalen Handwerkern, der TU Berlin und dem Deutschen Archäologischen Institut eine Dokumentation und Musterrestaurierung an zwei Handelsgebäuden aus dem 19. Jahrhundert durch, die seitdem unter besonderem Schutz stehen. In den Gebäuden inmitten des Marktes arbeiten Schneider für die traditionelle Männertracht, auch ein bekanntes Teehaus ist hier angesiedelt. Damals war der Grundgedanke, durch die Erforschung und den Erhalt archäologischer Stätten und historischer Bauten gleichzeitig die Zeugnisse lokaler Kultur und Geschichte zu bewahren, sowie damit auch den Tourismus zu fördern, in Kurdistan noch ganz neu. Nach langwierigen wirtschaftlichen und politischen Konflikten, soll die Restaurierung nun angegangen werden, u.a. mit Förderung durch das Kulturerhaltprogramm des Auswärtigen Amts. In diesem Jahr werden in einem Trainingsprogramm für irakische und kurdische Studierende zwei weitere Häuser dokumentiert und Musterrestaurierungen durchgeführt, u.a gefördert durch die Gerda-Henkel-Stiftung und in Zusammenarbeit Heritage Conservation Centre in Erbil.