Welche Rolle spielen Frauen für den Islamischen Staat, wie leben sie in dem vom IS kontrollierten Territorium in Syrien und Irak und welche Motivation treibt Frauen aus Europa an, sich dem IS anzuschließen?
Von Hannah Wettig, Blätter des IZ3W, Januar 2017
Im September 2016 verhaftete die französische Polizei drei Frauen, die den Gare de Lyon in Paris in die Luft sprengen wollten. Die Ermittler gehen davon aus, dass die Terroristinnen eine Frauenzelle des »Islamischen Staats« (IS) bildeten, die aus Syrien gesteuert wurde. Der britische Telegraph zieht eine Verbindung zur Britin Sally Jones alias Umm Hussain Al-Britania. Sie war Ende 2013 ins syrische Gebiet des IS eingereist. Dort heiratete sie den IT-Spezialisten des IS, Junaid Hussain, den sie über Soziale Medien kennengelernt hatte. Die inzwischen verwitwete Sally Jones soll nun nach Aussage von RückkehrerInnen den Aufbau von militärischen Fraueneinheiten wie jene von Paris leiten.
Wenn dem so ist, wäre dies eine bemerkenswerte Entwicklung der Rolle von Frauen in salafistisch-terroristischen Organisationen. Dort wies man ihnen bisher die Rolle der sorgenden Ehefrau und Mutter zu. Allerdings zeigen sich beim IS und anderen Organisationen schon seit einigen Jahren Abweichungen von dieser Position.
Die inzwischen mit dem IS verfeindete Mutterorganisation Al-Qaida formulierte die Rolle von Frauen noch eindeutig. Al-Qaida-Führer Ayman al-Zawahri antwortete 2008 auf die Frage, ob es bei Al-Qaida Frauen gebe, mit einem klaren »Nein« und führte weiter aus: »Aber die Frauen der Mujahedeen leisten ihren heroischen Teil, indem sie sich um das Haus und die Söhne in der harten Zeit der Immigration kümmern.«(1) Allerdings nahm Al-Qaida anerkennend zur Kenntnis, dass Frauen in anderen Organisationen terroristische Akte ausführten, so zum Beispiel die »Schwarze Witwen« genannten tschetschenischen Selbstmordattentäterinnen, die 2002 bei der Geiselnahme in einem Moskauer Theater traurige Berühmtheit erlangten.
Zawahris Frau, Umayma Hassan, lobte 2009 solches Engagement in einer »Botschaft an die muslimischen Schwestern«, riet aber zur Zurückhaltung: »Es gibt viele Frauen, die Märtyrer-Operationen durchgeführt haben in Palästina, Irak und Tschetschenien, die den Feind verletzt und zurückgeschlagen haben.« Doch sei es für Frauen sehr schwierig, überhaupt zu dschihadistischen Einsätzen zu reisen, da eine Frau immer von einem Mahram, einem männlichen Verwandten, begleitet werden müsse. Deshalb riet Hassan den »Schwestern«, statt militärischer Operationen sei es besser, andere Frauen für die Sache zu werben, in Moscheen, Schulen und im Internet. »Aber unsere Hauptrolle ist es, die Mujahedeen und ihre Söhne zu umsorgen.«(2)