Erneuter Angriff auf die Pressefreiheit im irakischen Kurdistan

Asos Hardi, Verleger der unabhängigen Zeitung Awene bei Überfall verletzt.

Berlin den 31. August 2011

Im kurdischen Nordirak wurde erneut ein Journalist angegriffen und verletzt. Der Herausgeber der kurdischen Zeitung Awene, Asos Hardi, wurde beim Verlassen der Redaktionsräume von einem Bewaffneten niedergeschlagen und von etlichen Schlägen mit dem Pistolenkolben auf den Kopf schwer verletzt. Awene ist eine von mehreren unabhängigen Zeitungen im kurdischen Nordirak, die insbesondere auch die regierenden Parteien und ihre Führer kritisieren. Wadi arbeitet seit langem mit Hardi zusammen, der bspw. die Kampagne gegen Genitalverstümmelungen mit seiner Zeitung unterstützt. Für derartiges Engagement, mit dem Hardi unermüdlich für ein besseres und demokratisches Kurdistan streitet, wurde er von einem Schläger bestraft.

In jüngster Vergangenheit wurden Mitarbeiter dieser Zeitungen immer häufiger zum Ziel von Gewalttaten und Drohungen. Solche Gewalttaten gegen Journalisten werden in der Regel von »Unbekannten« verübt. Menschenrechtsorganisationen hegen jedoch den Verdacht, dass die Überfälle und Einschüchterungsversuche der Regionalregierung und Teilen des kurdischen Sicherheitsapparates wenigstens zupass kommen. Im Zuge der seit Februar auch im kurdischen Nordirak stattfindenden Proteste gegen die weitverbreitete Korruption und Vetternwirtschaft wurden Journalisten von kurdischen Sicherheitskräften immer wieder bedroht und an ihrer Arbeit gehindert.

Nicht umsonst werfen Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch und Reporter ohne Grenzen der kurdischen Regionalregierung eine systematische Einschüchterung, Bedrohung und Gewalt gegen kritische Journalisten vor. So wurde am 20. Februar das Studio des parteiunabhängigen Fernsehsenders Nalia Radio Television (NRT) von Bewaffneten gestürmt und verwüstet, nachdem der Sender Bilder ausgestrahlt hatte, auf denen Übergriffe von kurdischen Sicherheitskräften auf Demonstranten zu sehen waren. Im Zuge der Proteste wurden Journalisten bedroht und verprügelt. Ein Reporter des Kurdistan News Networks (KNN) wurde am 11. Mai 2011 in Suleimaniyah von Sicherheitskräften verhaftet und misshandelt.

Bereits 2008 wurde im kurdischen Teil der Stadt Kirkuk der Journalist Soran Mama-Hama von unbekannten erschossen. Mama-Hama arbeitete für die regierungskritische Zeitschrift Livin und arbeitete an einer Story über mutmaßliche Verbindung kurdischer Offizieller zu Prostitutionskreisen. Im Mai 2010 wurde in Erbil der gerade 23-jährige Autor Sardahst Osman auf offener Straße entführt und später ermordet aufgefunden. Osman hatte zuvor dem Präsidenten der Region, Massud Barzani, Korruption vorgeworfen. Erst öffentliche Proteste haben eine Untersuchung des Falles bewirkt. Der Bericht einer einberufenen anonymen Untersuchungskommission der Regierung, die zu dem Schluss kam, Osman sei von der islamischen Terrororganisation Ansar Al-Islam ermordet worden, wurde wiederholt als fehlerhaft und unglaubwürdig kritisiert.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht ausreichend, wenn sich die Regionalregierung darauf zurückzieht, Journalisten würden von »Unbekannten« angegriffen. Die Vorfälle der letzten Zeit haben deutlich gezeigt, dass Gewaltenteilung und Kontrolle der Sicherheitskräfte im kurdischen Nordirak von bewaffneten Verbänden bedroht sind. Solange die kurdischen Parteien weiterhin ihre eigenen schwer bewaffneten Milizen unterhalten und diese als eigene Sicherheitskräfte neben Polizei und Justiz im Inneren der Region einsetzen, bleibt der Verdacht bestehen, dass die Taten »unbekannter« Einzeltäter in Wahrheit gewollte Aktionen der Milizen sind.

Es ist an der kurdischen Regionalregierung, deutlich zu machen, dass Einschüchterung und Gewalt gegen die Presse nicht geduldet werden können. Ermittlungen gegen Tatverdächtige müssen unverzüglich aufgenommen und mögliche Verbindungen zu Sicherheitskräften aufgeklärt werden.

Thomas Uwer für den Vorstand