Der neue Wadi-Rundbrief ist eben aus dem Druck gekommen. Wir stellen Ihnen unsere schwierige Arbeit in Zeiten von Corona vor, Flüchtlingsselbsthilfegruppen aus Griechenland kommen ebenso zu Wort wie unsere Mitarbeiter*innen aus dem Irak, die ihre neue „Bürger für Bürger“ Kampagne gegen die Verbreitung des Virus vorstellen.
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Aus der Einleitung:
„Die vermeintliche Schwäche demokratischer Gesellschaften, politische und administrative Entscheidungen erst legitimieren zu müssen, während Eingriffe in die (wirtschaftliche, soziale und private) Freiheit der Bürger nur dann möglich sind, wenn besondere Anforderungen erfüllt sind (Verhältnismäßigkeit, Angemessenheit, Rechtmäßigkeit), wird zu ihrer Stärke, wo es zum Schutz der Bevölkerung auf die Bevölkerung ankommt. Dass hierzulande die verhältnismäßig milden Maßnahmen sich bislang als sehr erfolgreich erwiesen haben, lag (neben materiellen Voraussetzungen) auch an der hohen Akzeptanz, die diese in der Bevölkerung genießen.
Ein großer Unterschied zwischen dem autoritären Denken und demjenigen, das die Freiheit selbstbestimmter Bürger ins Zentrum stellt, liegt eben auch darin, dass der autoritäre Staat seinen Untertanen misstraut, während Demokratie im Kern auf die Vernunft und Verantwortlichkeit von Bürgern setzt. Daran ändern auch die erlebten Rückfälle in die autoritär-staatliche Sprache, wie die Rede von »Helden« (gemeint sind Krankenpflegerinnen und Busfahrer) im Grundsatz nichts, während dadurch andererseits die große Aufgabe, die materiellen Voraussetzungen der Freiheit überhaupt erst zu schaffen, nicht obsolet wird.
Wer wissen will, wo die materiellen Grenzen bürgerlicher Freiheit verlaufen, muss nicht auf eine der griechischen Inseln fliegen, wo Flüchtlinge entrechtet und interniert werden; ein Besuch in einer der Sammelunterkünfte ausgebeuteter osteuropäischer Arbeiter in der deutschen Fleischindustrie reicht völlig aus.
Dass die Freiheit der Menschen und ihre materielle Gleichheit wenigstens als Chancengleichheit sich wechselseitig bedingen, wurde nicht von Robespierre erfunden und nicht von Christian Lindner widerlegt.
Die deprimierende Armut der einen, die den Reichtum der anderen erst schafft, sorgt zugleich für ihre Rechtlosigkeit, ohne dass dies ihre eigenen Regierungen und Eliten aus der Verantwortung entlässt.
Weil beides nicht zu trennen ist, setzt wadi seit demnächst drei Jahrzehnten auf Entwicklung durch Inrechtsetzung. Immer dann, wenn sich Menschen für ihre konkreten sozialen und gesundheitlichen Rechte einsetzen, um diese durch eigenes Handeln für sich und andere zu sichern, werden aus Untertanen oder Almosenempfängern Bürger, die durch ihr Handeln eine Verantwortung übernehmen, die über die nackte Existenzsicherung und den Schutz der eigenen Familie hinaus reicht.
Es ist kein Zufall, dass die von uns unterstützten Initiativen auch in der Corona-Krise aktiv geworden sind. Ob in Suleimaniyah, dem lokalen Hot-Spot der Infektionsentwicklung im Nordirak, oder im Flüchtlingscamp Moria auf Lesbos. In beiden Fällen reagieren Initiativen auf das völlige staatliche Versagen angesichts der Corona-Pandemie – in Suleimaniyah auf eine planlose und überforderte Verwaltung, die zwischen vollständigem Lock-Down und vollständiger Sorglosigkeit schwankt und die Menschen weitgehend im Unwissen über die Pandemie lässt; in Moria auf die geplante Verantwortungslosigkeit der EU, die tausende Menschen auch dort unter völlig ungeschützten Bedingungen einpfercht, wo Aufklärung und Vorsorge möglich wären. Über beide Entwicklungen berichten wir in diesem Rundbrief.
Bild: Selbstverwaltete Schule im Moria Camp auf Lesbos
Dass viele andere Projekte derzeit nicht möglich sind, weil wir die Gesundheit unserer Mitarbeiter*innen und aller Beteiligten schützen müssen, hat gravierende Auswirkungen. Ein Schwerpunkt unserer Arbeit liegt auf der Prävention von Gewalt sowie auf der Inrechtsetzung von Frauen und Kindern. Nichts wäre dringender nötig zur Zeit, als dies, und doch liegen viele Aktivitäten derzeit gezwungenermaßen brach.
Um möglichst bald wieder dort weitermachen zu können, wo wir zur Verhinderung weiterer Infektionen vorübergehend aufhören mussten, benötigen wir mehr denn je Ihre Unterstützung.“
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