Zwei Tage lange tauschten sich Mitarbeiter*innen von Wadi und seinen Partnerorganisationen über Fake News und Cyberbullying aus – und wie man beides effektiv bekämpfen kann.
Von Richard Wilde, 5. März 2023
Für zwei Tage trafen sich in Sulaymaniyah ein Dutzend Personen, darunter Sozialarbeiter*innen, Anwält*innen und Journalist*innen, aus dem Wadi-Kurdistan Umfeld für eine Fortbildung zum Thema „Fake News und Cyberbullying“. Ich arbeitete mit den Teilnehmenden zu den wichtigen Aspekten der digitalen Zivilcourage. Die Veranstaltung ist die Fortsetzung einer Reihe von Fortbildungen und Workshops, die Wadi regelmäßig in Kooperation mit seinen Partner*innen abhält. Die Themen sind immer Themen, die sich die Mitarbeitenden explizit aussuchen. Genau wie bei dieser Fortbildung, die Wadi in Kooperation mit Kirkuk Now organisierte.
Zunächst ging es erst einmal darum alle Anwesenden auf den gleichen Stand zu bringen. Was bedeutet Fake News? Was ist Cyberbullying? Wie kann ich diese Phänomene erkennen? Und was können wir dagegen unternehmen? Der Begriff Fake News prägt dabei alle Meldungen die zum Teil oder im Ganzen nicht der Wahrheit entsprechen, oder Teilwahrheiten darstellen, bzw. Wahrnehmungen verzehren. Dabei ist es zunächst egal, ob das aus Versehen passiert, aus Spaß oder beabsichtigt.
Anders ist es bei Cyberbullying. Hier geht es immer um einen bewussten digitalen Angriff gegen eine Person. Diese Angriffe können mit Hilfe von Fake News, aber auch Shitstorms oder anderen Formen erfolgen. Im Umgang mit Falschmeldungen und digitalen Angriffen gegen Personen ist es ähnlich wie mit der Ersten Hilfe. Es ist notwendig die Anwendungen immer wieder aufzufrischen und sich vor Augen zuführen welche Tools in welchen Situationen verwenden werden können. Mit vielen interaktiven Methoden wurde der erste Teil für die Teilnehmenden, die selbst Expert*innen in ihren Bereichen sind, zu einem spannenden Perspektivwechsel.
(Bilder: Pari Abdulla)
Mit Gruppenarbeiten, Quizzes, Forschungen und kurzen Spielen tauschte sich die Gruppe aus, welche Tools sinnvoll sind. Es braucht aber auch immer eine spezielle Sicht auf die jeweilige Region, in der die Tools angewendet werden. So bringt der Input des deutschen Medienschaffenden nichts ohne die Expertise der Teilnehmenden, die alle samt im Umfeld der Menschen- und Frauenrechtsbewegung in der Autonomen Region Kurdistan agieren. Hier beispielsweise gibt es ein recht gutes Gesetz gegen Cyberbullying und Falschmeldungen, jedoch noch keine zivilgesellschaftlichen Organisationen, die sich um die Awareness zu dem Thema kümmert.
Bewusstsein für Zivilcourage schaffen
Darum ging es dann auch in dem nächsten Teil der Fortbildung. Gemeinsam Konzeptionierten und diskutierten die Teilnehmenden über konkrete nächste Schritte die Aufmerksamkeit und Achtsamkeit im Internet für ihre Region zu stärken. Dabei entstand nach und nach der grobe Umriss einer Kampagne. Eine Umfrage zum Thema Cyberbullying, eine Plattform für Betroffene und Unterstützer*innen, eine Werbekampagne und ein Flyer, waren u.a. Ideen, die daraus entstanden. Der Kern aber soll ein Seminarkonzept sein, mit dem vor allen in Schulen das Bewusstsein für eine digitale Zivilcourage geschaffen werden soll. Denn nichts anderes als Zivilcourage im Internet ist es gegen Cyberbullying und Falschmeldungen vorzugehen. Doch nicht nur Bewusstsein, sondern klare Handlungsoptionen sollen den jungen Menschen an die Hand gegeben werden, um mit Hass im Netz umzugehen. Das Seminar für die Schüler*innen soll mit den interaktiven Methoden gefüllt sein, die die Teilnehmenden in den letzten zwei Tagen selbst kennengelernt haben.
Kaum Rückhalt für Betroffene
Doch am Ende braucht es auch eine breite Unterstützung aus der Bevölkerung und der Regierung, um diesem Thema sich entgegenzustellen. Aktuell gelingt das noch nicht, wie Teilnehmende der Fortbildung berichten. Opfer von Cyberbullying finden kaum Rückhalt in der Familie, oft sogar ganz in Gegenteil. Die Familie sieht sich als entehrt an, weil z.B. Explizite-Bilder ihrer Tochter im Internet auftauchen. Doch auch hier fehlt das Bewusstsein Falschmeldungen zu erkennen und aufzudecken. Vor allem Frauen und Menschen aus der LGBTQI*-Community sind Opfer solcher Angriffe. Suizid und Mord sind dabei zwar die extremsten Konsequenzen und längst nicht zwangsweise die Folge in solchen Fällen, dennoch kommt es viel zu oft dazu.
Mit dem neu gewonnen Ideen und Methoden soll sich nun noch mehr in der Autonomen Region Kurdistan tun. Mit den Worten „Kriminalität und Hass macht vor dem Internet nicht halt und so wird es auch das Engagement für Menschenrechte nicht“, schloss ich die Fortbildung ab, „Ich freu mich sehr bald zu sehen was ihr (die Teilnehmenden) alles auf die Beine gestellt habt.“.