Besuch aus dem Irak: Austausch über Erinnerung und Gedenken

Ende Oktober besuchte der kurdische Aktivist Hemn Goptapy Bremen, Niedersachsen und Bayern, um über den Umgang mit traumatischen Verbrechen der Geschichte und die Bedeutung der Erinnerungskultur zu sprechen.

Von Richard Wilde, 15.11.2024

(Bild: Hemn Goptapy)

Dieser besondere Besuch kam durch die Kooperation zwischen Wadi, der Rosa-Luxemburg Stiftung Bremen und dem Internationalen Kurdischen Freundschaftsverein Landshut e.V. zustande.

Hemn Goptapy stammt aus dem kurdischen Gebiet des Irak und überlebte die sogenannte Anfal-Kampagne – eine systematische Vernichtungsaktion der kurdischen Bevölkerung durch das irakische Militär unter Saddam Hussein im Jahr 1988. Während dieser Operation wurden Tausende Kurd*innen ermordet oder verschleppt. Seit Jahren widmet sich Goptapy der Aufgabe, die Erinnerung an diese Geschehnisse lebendig zu halten. Dafür sammelt er in betroffenen Dörfern im Irak Dokumente, Fotos und Interviews mit Überlebenden und hat so ein bedeutendes Archiv aufgebaut. Wadi kooperiert seit über einem Jahrzehnt mit dieser Initiative von Goptapy.

Ziel seines Besuchs in Deutschland war es, Gedenkarbeit in Kurdistan durch den Austausch mit deutschen Initiativen weiterzuentwickeln. 

Dazu gab es Veranstaltungen und Austauschtreffen in Norddeutschland, wo er unter anderem die Gedenkstätte in Neuengamme besuchte und in Bremen und auf Einladung der dortigen Volkshochschule Celle seiner Arbeit einem größeren Publikum vorstellte. 

Seine Erfahrungen in Norddeutschland fasste Hemn so zusammen: „Schon jetzt ist mir klar das wir in Kurdistan noch nicht zu spät um gute Gedenkarbeit zu starten. Wir fangen viele Jahre eher an als es hier in Deutschland mit der Gedenkarbeit zu den Opfern des Nationalsozialismus angefangen wurde.“ Allgemein scheint es nie zu spät zu sein damit anzufangen.

Programm in Bayern

In München besuchte Goptapy das NS-Dokumentationszentrum, wo er von einer Mitarbeiterin des Hauses empfangen wurde. Sie führte ihn durch die Ausstellungen und erklärte die deutsche Herangehensweise an die Aufarbeitung nationalsozialistischer Verbrechen. Im Gespräch kam die Idee auf, eine Ausstellung über die Anfal-Kampagne auch in Deutschland zu organisieren. Mit einem geeigneten Konzept und einer guten Übersetzung wäre es möglich, Exponate und Dokumente von Hemn Goptapy auch in Deutschland auszustellen Eine Ausstellung hier zu Lande ist vor allem aus zwei Gründen interessant. Zum einen leben viele Betroffene Kurd*innen aus dem Irak in Deutschland. Zum anderen waren es aber auch deutsche Firmen die Teile der Vernichtungsmaschinerien im Irak herstellten. Gerade bei der Herstellung von Giftgas, mit dem viele Menschen ermordet wurden, wurde von deutschen Firmen überhaupt erst ermöglicht.

(Bilder: Besuch in Neuengamme)

Eine Stadtführung führte Goptapy durch Landshut an historische Orte mit Bezügen zum Nationalsozialismus, ein besonderer Fokus lag dabei auf den Stolpersteinen, die an ehemalige jüdische Mitbürger*innen erinnern. Die Führung endete im Stadtmuseum, wo aktuell die Ausstellung zur NS-Zeit in Landshut zu sehen ist. Danach kam es zu einem Austausch mit Vertreter*innen des Stolpersteinvereins, des Verbands der Verfolgten des Naziregimes und weiteren Akteur*innen der Gedenkarbeit aus der Region. In diesem Kreis wurde unter anderem darüber gesprochen, Hemn Goptapys Arbeit durch Übersetzungshilfen ins Deutsche zu übersetzen.

Eine besondere Anerkennung bekam Goptapy für seine sehr umfangreiche Archivsammlung. „Es ist so wichtig Gedenkarbeit zu starten solange es noch die Möglichkeit gibt mit Zeitzeugen zu sprechen. Und hier scheint es noch so viel Möglichkeiten zu geben. In Deutschland hatten wir leider erst viel zu spät damit angefangen und dadurch viel weniger Möglichkeiten für den Austausch mit Überlebenden“, sagte die Sprecherin des Verbands der Verfolgten des Naziregimes Luise Gutmann.

Zum Abschluss des Besuchsprogramms stand ein Besuch der KZ-Gedenkstätte Dachau an. Im Fokus stand dabei die Frage, wie man in Kurdistan Gedenkstätten einrichten könnte, die dem Schicksal der Opfer der Anfal-Kampagne gerecht werden. Besonders die Gestaltung des Museums und die Art und Weise, wie die verschiedenen Teile des KZ-Geländes als Zeugnisse des Verbrechens aufbewahrt werden, inspirierten Goptapy für seine eigenen Projekte.

Neue Impulse

Ich bin sehr motiviert, jetzt nach dieser Reise, wieder zurück nach Kurdistan zu kommen und mit der Gedenkarbeit weiter zu machen. Die Vernetzung der verschiedenen Orte und Überlebenden ist, neben den ganzen technischen Details, das wichtigste was ich aus der Reise mitnehme.“, sagt Hemn kurz bevor es für ihn zum Flughafen geht.

(Bild: Bericht im kurdischen Fernsehen)

Bereits in den vergangenen Jahren veranstaltete der Internationale Kurdische Freundschaftsverein in Landshut Gedenkveranstaltungen zum Angriff auf Halabja, der ebenfalls 1988 stattfand und als einer der verheerendsten Angriffe der Anfal-Kampagne gilt.

Für den 16. März 2025, den 37. Jahrestag des Angriffs, ist eine erneute Veranstaltung geplant, bei der auch voraussichtlich Beiträge von Goptapy gezeigt werden.

Mit seinem Besuch und den intensiven Gesprächen über Erinnerungskultur und Gedenkarbeit erhofft sich Hemn Goptapy neue Impulse für die Errichtung erster Gedenkstätten und Museen in Kurdistan. Der Austausch zwischen Deutschland und Kurdistan ist ein wichtiges Zeichen der Solidarität und zeigt, wie grenzübergreifende Zusammenarbeit dazu beitragen kann, das Gedenken an Verbrechen gegen die Menschlichkeit lebendig zu halten und eine Kultur des Erinnerns zu fördern.

Zurück im Irak stieß der Besuch auf großes Interesse nicht nur in Goptapys Heimatstadt, sondern auch bei den Medien. So lud ihn etwa eine der größten Fernsehanstalten, um über seine Erfahrungen zu berichten:

Diese Besuch fand statt im Rahmen unserer größeres Programm zu und über Erinnerung und war auch dank Ihrer Spenden möglich. Wir bitten Sie herzliche, diese Initiative auch weiter zu unterstützen.