Wadis Partner in Lesvos: Die Moria White Helmets

Die seit 2020 auf Lesbos aktiven  Moria White Helmets (MWH), eine Flüchtlingsselbsthilfegruppe, ist eine der wichtigsten Organisationen im Flüchtlingscamp Moria auf Lesbos. Wadi unterstützt diese wichtige Initiative seit ihrer Gründung.

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Tag für Tag bieten die MWH eine breite Palette von Dienstleistungen und anderen Programmen für die Bewohner:innen des Camps an. Gegründet im März 2020 als Reaktion auf die Covid-Pandemie wollen sie dazu beitragen, dass Geflüchtete selbstbestimmt ihre Probleme im Camp lösen können. Ihre Arbeit folgt dem Motto „Solange wir Hände haben, können wir es tun. Es ist unsere Pflicht, füreinander zu sorgen.“

Drei Jahre Selbstorganisation im Camp

Die Moria White Helmets haben sich bei ihrer Gründung von den syrischen Weißhelmen inspirieren lassen, einer Gruppe, die dort während des Krieges als Reaktion auf den völligen Mangel an Rettungsdiensten entstanden ist. Als Bilder und Videos der syrischen Weißhelme, die Menschen aus bombardierten Gebäuden retteten, auf der ganzen Welt verbreitet wurden, wurden sie für die Geflüchteten in Moria zu einem Vorbild, das ihnen zeigte, dass es in Krisenzeiten möglich ist, Maßnahmen zu ergreifen und Menschen zu retten, selbst wenn jegliche formelle Nothilfe eingestellt wurde.

Selbstorganisation von Flüchtlingen war vor allem im alten und völlig überfüllten Moria-Camp, in dem bis zum Brand im Herbst 2020 katastrophale Zustände herrschten, eine wichtige und extrem effektive Antwort der Bewohner*innen auf chronisches Missmanagement und Mangelversorgung. Ganz besonders als das Lager von Corona bedroht wurde, nahmen Organisationen wie die MWH und das Moria Corona Awareness Team ihr Schicksal in eigene Hände, ein Schritt, der damals auch in internationalen Medien für viel Aufmerksamkeit sorgte.

Recycling und Müllentsorgung:

Aktuell führen die Moria White Helmets innerhalb der Mavrovouni Camp-Struktur auf Lesbos eine Vielzahl von Projekten durch, die kontinuierlich weiterentwickelt und angepasst werden, um sich den ständig ändernden Bedürfnissen auf der Insel gerecht zu werden. Dazu gehören die Abfallbewirtschaftung in Zusammenarbeit mit der Lagerverwaltung und die wöchentliche Reinigung der Gemeinschaftsbereiche zum Schutz der Umwelt, um die Lebensbedingungen für alle Bewohner des Lagers zu verbessern.

Bilder: Jeden Tag sorgen die MWH für die Sauberkeit des Camps und der umliegenden Gebiete

In diesem Jahr wird mit einem neuen Recyclingprojekt der Umweltschutz weiter an Bedeutung für die Arbeit der Moria White Helmets gewinnen:

„Nachdem wir gemeinsam mit MCAT seit mehr als zwei Jahren Recycling propagiert haben, ist vor Ort ein neues Bewusstsein und der Wille zur Kooperation gewachsen. Unsere Teams in den Werkstätten hatten die Idee, neue Sammelbehälter im Camp aufzustellen. Gemeinsam mit unseren Freunden von Solingen hilft haben wir diese Behälter selbst gebaut und werden sie bald an verschiedenen Stellen im Camp aufstellen. Man kann mit ihnen Flaschen und Getränkedosen separat sammeln; sind sie voll, werden wir sie zu einem Recyclingunternehmen bringen. In unseren Kursen werden wir weiter daran arbeiten, das Umweltbewusstsein im Camp zu verbessern. Um für mehr Recycling zu werben, haben wir eine schöne Plakatkampagne entwickelt. Wir sind sehr stolz auf diese Arbeit und froh darüber, zeigen zu können, dass uns die Umwelt und die durch den Klimawandel verursachten Probleme am Herzen liegen. Wie schon in den letzten Jahren soll dieses Lager ein Beispiel dafür sein, dass wir unsere Alltagsprobleme selbst lösen können!“

Bereits 2020 konnten die Moria White Helmets beim Brand des Flüchtlingslagers Moria bei Evakuierung und den Aufräumarbeiten im Lager wichtige Unterstützung leisten. Seither engagieren sie sich neben der Abfallbewirtschaftung und Recyclingprojekten auch mit einen, ausgebildeten Elektrikern und Facharbeitern in der Unterstützung der technischen Abteilung des Lagers.

Bilder: Das Elektriker Team der MWH kümmert sich  um Generatoren und eine stabile Versorgung des Camps

Damit stellen sie sicher, dass alle Lagerbewohner eine sichere und ausreichende Stromversorgung haben und tragen durch selbstgebaute und betriebene elektrische Infrastruktur zur Verringerung des Brandrisikos im Lager bei.

Bildung und Unterricht

Zentral für die Aktivitäten der Moria White Helmets ist die von ihnen selbst entwickelte und betriebene Schule, die allen Geflüchteten und Asylsuchenden im Lager den Zugang zu einer Fülle von Bildungsmöglichkeiten und Weiterqualifizierungen bietet. Die Moria White Helmets sind damit mit herausragendem Engagement und Einfallsreichtum in kurzer Zeit zum wichtigsten Garant für Sicherheit und eine verbesserte Lebensqualität im Lager geworden: ihre Aktivitäten reichen von der Ausbildung von informellen Notfallteams im Lager, die in Notfällen bis zum Eintreffen professioneller Unterstützung zum Einsatz kommen können, bis zur Covid-Prävention oder Abfall- und Hygienemanagement. Letzteres ist von besonderer Bedeutung, da sich nur damit die Verbreitung von Krankheiten, Insekten, Nagetieren und anderen Schädlingen verhindern lässt. Die Verbesserung der Lebensbedingungen im Lager ist das wichtigste Ziel der Aktivitäten der Gruppe und führt, je nach Dringlichkeit und Bedarf zur Entwicklung immer neuer Projekte.

Bilder: Die von den MWH betriebene Campschule

Friseur- und Beautysalon Schönheitssalon

Auch das sind Projekte, die die Moria White Helmets im Camp betreiben: Ein Friseursalon, in dem alle Flüchtlinge sich gratis die Haare schneiden können sowie ein Werkstatt, in der kaputte Fahrräder, die für die Campbewohner:innen so wichtig sind, um etwa nach Mytillini zu kommen, repariert werden.

Außerdem unterhalten sie eine kleine Nähwerkstatt, in der sich ein Team von Näherinnen um kaputte Kleidung kümmert und einen kleinen Schönheitssalon.

Selbstorganisation als Modell

Trotz des beeindruckenden Engagements der Gruppe für lokale Fragen lassen sich viele Probleme nur durch eine substantielle Änderung politischer Rahmenbedingungen erreichen. Auch hier engagieren sich die Moria White Helmets zusammen mit dem Moria-Corona-Aufklärungsteam und schrieben Briefe an die EU, den Papst, die europäische Zivilgesellschaft und die Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft. Damit wollten sie das Bewusstsein für ihre aktuellen Anliegen schärfen, mögliche Lösungen aufzeigen und ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit demonstrieren.

Dabei erklärten sie, dass sich Asylsuchende im Flüchtlingslager Moria bereits mit Tierrechten begnügen würden, wenn man nicht bereit sei, ihnen Menschenrechte zuzugestehen. Die Briefe blieben unbeantwortet, fanden jedoch relativ große Beachtung in der Medienberichterstattung in Europa, Nordamerika und dem Nahen Osten, selbst in Asien und Afrika. So konnten sie auf ihre Situation aufmerksam machen. Mitglieder der Weißhelme von Moria wurden auch für Dokumentationen, Bücher und wissenschaftliche Artikel interviewt.

So berichtete etwa die Deutsche Welle über die Aktivitäten der selbstorganisierten Teams:

Sie haben sich organisiert – die knapp 24.000 Flüchtlinge im Camp Moria auf der griechischen Insel Lesbos. Haben versucht, ihrem Leben in den Baracken etwas Struktur zu geben. Doch dann kam die Corona-Pandemie: „Wir brauchen Europa, um zu überleben“, wenden sie sich deshalb mit einem eindringlichen Schreiben an führende Politiker in Europa, darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Das Coronavirus bedeute für Alte, Kranke und andere Schutzbedürftige im Lager das Todesurteil.

In dem Text, der von den Initiativen „Moria Corona Awareness Team“ und „Moria White Helmets“ stellvertretend für die Asylsuchenden verfasst und im Berliner „Tagesspiegel“ veröffentlicht wurde, verlangen die Geflüchteten konkret, eben jene besonders schutzbedürftigen Gruppen sofort aus dem Lager in Sicherheit zu bringen. Dies gelte neben Alten und Kranken auch für unbegleitete Minderjährige.

Heute hat sich die Lage im neuen Camp deutlich verbessert und die Anzahl der Bewohner*innen auf knapp 1500 reduziert. Doch Hilfe und vor allem Selbsthilfe wird weiter dringend benötigt und die Moria White Helmets werden, solange sie die nötige Unterstützung finden, weiter machen, wie Raid al-Obeed Mitbegründer der Organisation in einem Interview erklärte:

Warum konnten wir mit unserer Arbeit so groß und erfolgreich werden? Weil wir das Vertrauen der Leute genießen. Zur Zeit erhalten die Flüchtlinge im neuen Camp Unterstützung von zwei Seiten, den selbstorganisierten Teams und den NGOs. Den Selbstorganisierten wird viel Vertrauen entgegengebracht, den NGOs nicht so sehr. Die Menschen wissen, dass wir nicht für Profit arbeiten. Sie wissen auch, dass leider einige der NGOs nicht wirklich gekommen sind, um den Menschen zu helfen, sondern dass sie im eigenen Interesse handeln. Man muss das Vertrauen und die Unterstützung der Menschen haben, das ist das Geheimnis.

Wir würden uns freuen, anderen Menschen in Not unsere Erfahrungen mitzuteilen. Jeder kann uns gern kontaktieren, kein Problem. Auch wir aber sind dringend auf Unterstützung angewiesen.

Wir bitten Sie herzlich um Unterstützung, damit wir ihnen helfen können, mit ihrer so wichtigen Arbeit weiterzumachen!