Spielplätze: ein Stück Kindheit

In den Dörfern des Nordirak gab es bisher keine Spielplätze. Auch in den beiden Kommunen Sheik Wasanan und Jalamord stand lange Zeit die mühselige Wiederaufbauarbeit nach den Jahren der Herrschaft Saddam Husseins im Vordergrund. Beide Dörfer waren von der “Anfal-Kampagne” Ende der Achtziger Jahre betroffen, als das irakische Regime mit Giftgas, Massendeportationen und einer Politik der verbrannten Erde gegen die kurdische Bevölkerung des Nordirak vorging. Noch heute ist die Versorgung mit Wasseranschlüssen, Schulen und ärztlicher Versorgung ein Dauerproblem. Oftmals ist man froh, wenn eine Schule für die Kinder des Dorfes erreichbar ist, genügend Stühle in den Klassenräumen stehen und das Dach im Winter sich als regendicht erweist. Gestaltungsmöglichkeiten von Kindheit waren bisher kein Thema. Kinder sind das Entwicklungspotenzial jeder Gesellschaft. Um zu verantwortungsvollen Erwachsenen heranzuwachsen, brauchen sie Raum, wo sie Kind sein können.

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Dabei ist der Bedarf offensichtlich. Seit Jahren besuchen Mitarbeiter von WADI mit zwei Spielbussen in regelmäßigen Abständen 170 Kommunen. In den Spielmobilen befinden sich Plastikrutschen und Schaukeln, um einen mobilen Spielplatz aufzubauen, sowie Puppen, Autos und Bücher, die die Kinder ausleihen können. Die Kinder warten oft sehnsüchtig auf die Ankunft der Busse. Das Spielzeug bringt nicht nur Abwechslung in der kargen Landschaft, die wenig Anregung für Draußen-Spiele bietet. Die Spielbusse stehen auch für die Anerkennung kindlicher Bedürfnisse. In den Bussen finden die Kinder Sozialarbeiter, die die kindliche Lebenswelt ernst nehmen.

„Unsere Kinder haben früher einen Teil ihrer Kindheit verloren, jetzt haben sie einen Platz zum Spielen und für sich selbst.“

Weil die Busse so großen Anklang fanden, fragten die Dorfbewohner nach, ob sie nicht einen ständigen Spielplatz bekommen könnten. In Jalamord ist Darko Osman darauf besonders stolz. Er geht in die dritte Klasse der Grundschule und sagt: “Wenn ich das mit dem Spielplatz nicht laut gesagt hätte, dann hätten wir immer noch keinen!”

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Beim Bau der Spielplätze leisten auch die Erwachsenen ihren Beitrag. Der 33-jährige Saman Faizullah war beim Bau des Kinderspielplatzes in der 16 Häuser zählenden Gemeinde Jalamord besonders engagiert. Als Halbwaise aufgewachsen, weiß er von einer schweren Kindheit zu berichten. Mittlerweile selbst Familienvater, ist es Saman Faizullah ein besonderes Anliegen, sich um den Spielplatz zu kümmern: “Unsere Kinder haben früher einen Teil ihrer Kindheit verloren, jetzt haben sie einen Platz zum Spielen und für sich selbst.” Amjanj, eines der Dorfkinder sagt: “Ich kann jetzt immer zum Spielplatz gehen, wenn mein Vater beschäftigt ist und mich wegschicken möchte.” Für Shaima, ein zehnjähriges Mädchen, bedeutet der Spielplatz, dass sie nicht mehr auf die staubige Dorfstraße angewiesen ist. “Bei uns ist das jetzt so, wie bei anderen Kindern”, sagt sie stolz.

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In Scheich Wasanan im Bezirk Balisan war es der Dorfvorsteher Mohammed Amin, selbst Vater von drei Kindern, der immer wieder wegen eines Spielplatzes bei WADI nachfragte. Für ihn ist die sinnvolle Freizeitgestaltung der Kinder wichtig: “Sie sind jetzt so glücklich, es bringt sie auf andere Gedanken. Früher haben viele unserer Kinder die Zeit totgeschlagen, weil sie keinen Platz hatten, wohin sie gehen konnten.“

Der zwölfjährige Karzan Mohammed, dessen Mutter durch das Giftgas ihr Augenlicht verloren hat, sagt: “Vorher mussten wir mit unseren Eltern immer auf die Felder mitgehen, jetzt haben wir Platz für uns.”

Im Februar und März 2013 wurden die beiden Spielplätze fertig gestellt. Schon bevor die Spielplätze fertig waren, verwandelten Kinder die Baustelle in ihren Spielplatz.

Im Hauptort von Balisan wurde gerade ein Kindergarten eröffnet, es ist überhaupt der erste im ganzen Bezirk. Da auch hier das Problem bestand, dass für die Kinder kein Spielzeug oder Spielgeräte vorhanden war, konnte WADI mit dem Restbetrag aushelfen, und einen kleinen Spielplatz anlegen. Auch wenn Eltern und die Angestellten des Kindergartens darüber glücklich waren – die rund 25 betreuten Kinder waren es noch mehr!

Insgesamt profitieren 136 Kinder im Alter bis zwölf Jahren von dem Spielplatzprojekt.