Neues Workshopformat mit Schwerpunkt Rassismus und Sexismus

8.3.2018. Erstmals haben wir unseren Workshop „Vom Flüchtling zum Bürger und zur Bürgerin“ mit dem Schwerpunkt Rassismus und Sexismus durchgeführt. Der Verbund der sozialkulturellen Migrantenvereine in Dortmund (VMDO) hatte uns dazu zwei Tage eingeladen, mit einer Gruppe von 15 jungen Männern zu arbeiten. Davon waren die meisten vor zwei Jahren nach ihrer Flucht aus Syrien hier angekommen, aber auch einige Migranten, die hier geboren sind, waren darunter.

Eine Scheidungssituation wird nachgestellt. Viele Syrerinnen lassen sich scheiden, sobald sie in Deutschland sind.

Das Thema Rassismus ist immer Thema unserer Workshops. Wenn wir die Teilnehmer/innen darum bitten, eine Situation nachzustellen, die sie als besonders ungerecht in Deutschland empfunden haben, dann erfahren wir meist von einem Erlebnis, das einen rassistischen Hintergrund hat oder zumindest haben könnte. Wenn die Teilnehmer aufschreiben, was sie gerne in ihrem Nahumfeld ändern würden, spielt das Thema Begegnung mit Deutschen eine große Rolle – im Positiven wie im Negativen: Manche erleben ihre Nachbarn als feindlich, andere erleben sie als freundlich, aber distanziert. Viele würden „die Deutschen“ gern kennenlernen, haben aber Angst, dass da Vorurteile sind und wissen nicht, wie sie die überwinden können. Vorurteile gibt es aber auf beiden Seiten – auch das haben wir schon oft diskutiert.

In Dortmund ist es nicht anders. Ein Teilnehmer stellt die Einlasskontrolle an einem Club dar, wo er abgewiesen wurde. Fast alle kannten die Situation. „Die Türsteher sagen: „Heute keine Südländer“ berichten sie uns.

Was kann man da machen? Nichts, glauben die Teilnehmer. Die Polizei macht nichts. Wir erklären, warum das kein Fall für die Polizei ist. Aber was ist mit der Presse? Die Medien sind sowieso gegen Ausländer, glauben sie. Aber hier differenziert sich das Bild. Wir erwähnen, dass viele Deutsche glauben, die Medien würden zu positiv über syrische Flüchtlinge berichten, was sie denn davon halten? Davon haben sie gehört und finden auch das nicht gut: „Das hat uns auch geschadet. Die Deutschen dachten, wir sind alle Facharbeiter. Jetzt sind sie enttäuscht.“

Aber dann scheinen doch manche Journalisten gar nicht rassistisch zu sein? „Naja, dass wir nicht in Clubs reinkommen, hat ja auch einen Grund“, sagt einer. „Wegen der Frauen und Köln. Ja, und das ist auch nicht ganz falsch. Solche Leute gibt es.“ Ein anderer findet es falsch: „Die Frauen in den Clubs wollen Sex. Sonst würden sie doch da nicht hingehen. Sonst könnten sie doch auch in eine Frauentanzschule gehen – die gibt es hier.“ Einige schütteln missbilligend den Kopf. Einer erklärt, dass es ganz normal sei für deutsche Frauen in Clubs zu gehen, dass sie da auch hingehen, um ihre Freundinnen zu treffen.

In der nächsten Übung machen wir eine Aufstellung: Sind Deutsche geizig? Ist es o.k., wenn muslimische Männer deutsche Frauen heiraten? Und wie ist es umgekehrt? Passt Demokratie nicht zur arabischen Mentalität?

Aufstellen und Diskutieren: Stimmt der Satz „Deutsche sind geizig?“

Die Fragen sind Interpretationssache. Ein Drittel findet, dass man Deutsche nicht heiraten sollte. Doch dann sagt einer: „Wieso? Ein Deutscher kann doch zum Islam konvertieren.“ Nur einer findet, das reiche nicht, er wolle trotzdem nicht, dass seine Schwester einen Deutschen heirate. „Das ist rassistisch“, erklärt ihm die Gruppe. Aber was ist, wenn der Deutsche nicht Muslim wird? Nein, das geht nicht im Islam, ist sich die Gruppe einig. Aber dann teilt sich das Bild wieder: Einige finden, dass jeder selbst entscheiden kann, obwohl der Islam das nicht zulässt.

Später versuchen wir Rassismus zu definieren. In den Diskussionen ist ein Problem deutlich geworden: Die meisten Teilnehmer finden einiges was die Deutschen machen, falsch. Wie können sie sich dazu positionieren, ohne rassistisch zu sein?

„Ich muss den anderen respektieren, aber nicht alles akzeptieren“, erklärt einer. Was heißt das? Ein anderer bringt Homosexualität als Beispiel: „Ich finde das vielleicht nicht gut, aber ich behandele jemanden, der schwul ist, genauso wie jeden anderen auch. Ich rede nicht schlecht über ihn.“

In einem Kurzvortrag stellen wir verschiedene Initiativen vor, die sich gegen Rassismus engagieren und erklären die Verantwortlichkeiten auf Bundes-, Landes- und Stadtebene. Hierbei zeigt sich, dass diese Instrumente bisher offenbar nicht von der Zielgruppe wahrgenommen wurden. Weder kennt jemand Integrationsministerin und Integrationsbeauftragte, noch sind ihnen Dortmunder Initiativen und Beratungen für Opfer von Rassismus bekannt.

Am Sonntag nehmen wir das Thema Sexismus stärker in den Fokus. Als Rollenspiel sollen zwei Teilnehmer eine Scheidungssituation nachstellen. Das Thema könnte aktueller nicht sein. Erst am Freitag ging durch die Medien, dass ein Syrer den Mord an seiner Frau gefilmt und das Video online gestellt hatte. Sie hatte ihn wegen eines anderen verlassen und die gemeinsamen Kinder mitgenommen. Der Snuff-Film bekam viel Zustimmung im Netz. Auch in unserem Workshop finden einige die Tat verständlich, wie wir in den Pausen hören. Dabei geht es nicht darum, dass die Frau die Kinder mitgenommen hat, sondern dass „sie ihn betrogen hat.“

Aber das Thema steht schon lange auf unserem Workshopplan. Denn Scheidung ist ein Dauerthema für viele Männer aus Syrien. Viele Ehefrauen lassen sich sobald sie hier angekommen sind, scheiden. Meist haben sie jahrelang Gewalt in der Ehe ertragen und wissen, dass sie das in Deutschland nicht mehr müssen.

Gewalt heißen die Teilnehmer nicht gut. Aber in der Diskussion geht es auch darum, ob die Frau sich in einen anderen verlieben darf und mit ihm zusammensein. Workshopleiter Ghiath Mithawi fragt, was denn ein Mann tut, wenn er sich in eine andere Frau verliebt. Die Antwort kommt eindeutig: „Er heiratet sie auch.“ Gemeinsam mit zwei anderen kann der Trainer klar machen, dass es also nicht um Moral geht, sondern die Bewertung der Frau schlicht ungerecht ist. Es sind vor allem zwei junge Aktivisten der syrischen Revolution, die klar und deutlich der Gruppe erklären, warum Frauen die gleichen Rechte haben müssen.

Wir beenden den Workshop mit gemischten Gefühlen. Die Meinungsunterschiede in der Gruppe waren riesig und viele frauenfeindliche Aussagen, konnten nicht bis zum Ende ausdiskutiert werden. Positiv war, dass alle sich bemühten konstruktiv auf die Position des anderen einzugehen. Das Gesprächklima war gut und alle waren engagiert bei der Sache. So mancher hat gemerkt, dass er mit der Aussage „das ist so“ nicht weiterkommt.

Am Ende sammeln wir, was die Teilnehmer in Zukunft gegen Diskriminierung unternehmen wollen. Ein Junge von 16 Jahren schreibt auf ein Karte „Mit meinen Gedanken kämpfen.“