Plastikrecycling in Germian: Neue Lösungen für alte Probleme

Laila Ahmed und Sumaya Saleh berichten in diesem Beitrag für Kirkuk Now aus Region Germian in Irakisch-Kurdistan über die Recyclingprojekte, die wir dort in Kooperation mit unserem Partner ADWI durchführen.

Im Recyclingcenter Kifri, Bilder: Kirkuk Now

 
 

Nach Angaben von UNEP, dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen, werden jede Minute eine Million Plastikverpackungen verkauft; jährlich werden weltweit bis zu fünf Billionen Plastiktüten verwendet. Täglich werden 400 Millionen Tonnen Plastik produziert; die Hälfte davon wird nur ein einziges Mal verwendet. Es gibt sieben Kunststoffarten; die meisten können nicht recycelt werden, da sie bei Erhitzung giftige Gase abgeben. Deshalb sind weniger als 10 Prozent des produzierten Plastiks wiederverwertbar. Millionen Tonnen von Plastik werden jedes Jahr verbrannt oder vergraben, verschmutzen Luft und Umwelt. Die UN schätzt, dass allein dadurch der Weltwirtschaft jedes Jahr zwischen 80 und 120 Milliarden US-Dollar verloren gehen. Obendrein schädigt Plastikmüll die menschliche Gesundheit und beeinträchtigt unsere Fruchtbarkeit, den Hormonhaushalt sowie das Gehirn.

Deshalb haben sich die UN zum Ziel gesetzt, die Umweltverschmutzung durch Plastik um mehr als 80% zu reduzieren. Sie wirbt seit langen für mehr Recycling, etwa für die Verwendung von Mehrwegflaschen. Auch industriell soll gebrauchtes Plastik verstärkt aufbereitet und für die Herstellung anderer Gebrauchsgegenstände wiederverwertet werden. Und drittens sollen Plastikverpackungen, Tüten und viele Fertigprodukte durch Produkte aus alternativen, biologisch abbaubaren Materialien wie Papier ersetzt werden.

Der Distrikt Kifri gehört zur Region Garmyan der Provinz Sulaymaniyah, die auch die Distrikte Kalar, Darbandikhan, Dutzende von Unterdistrikten und Hunderte von Dörfern umfasst. Die Gesamtbevölkerung von Garmyan beträgt älteren Statistiken zufolge, die KirkukNow von der Statistikbehörde erhalten hat, insgesamt 324.000 Menschen. Im Kifri-Distrikt selbst leben etwa 55.000 Menschen.

Jeden Tag werden in Garmyan etwa 500 Tonnen Müll gesammelt, ohne sortiert zu werden. Dieser Abfall besteht vermutlich zu großen Teilen aus Plastik in Form von Wasserflaschen, Flaschen für Reinigungsmittel und Materialien aus Nylon. Allein 30 Tonnen dieses Mülls stammen aus der Region Kifri. „Jeder verwendet Plastik, ohne zu wissen, wie schädlich es ist. Jeden Tag sammeln wir 25 bis 30 Tonnen Müll, der Plastik enthält und außerhalb der Bezirkshauptstadt vergraben wird“, berichtet Kifris Bürgermeister Ali Khurshid. Plastikmüll, der nicht vergraben wird, wird häufig verbrannt – beides schadet der Umwelt und bedroht die Gesundheit der Menschen.

Plastiksammlung in Kifri, Bild: Kirkuk Now

Eine einfache Lösung für ein komplexes Problem

Sammlung und Recycling von Plastikmüll ist da ein aktiver Beitrag zum Umweltschutz und beginnt, sich in Garmyan auszubreiten. Viele Projekte und Initiativen, die sich dieses Ziel gesetzt haben, wurden durch kleine Fabriken mit primitiver Ausrüstung ins Leben gerufen. Sie recyceln das Plastik und schaffen Arbeitsplätze für junge Menschen. Eine dieser Initiativen ist die von Omid Ali: „Wir haben bereits einen Beitrag zum Schutz der Umwelt geleistet … junge Leute lassen Flaschen nicht mehr einfach auf der Straße liegen, sondern bringen sie gleich zu uns.“

Omid Ali ist erst 16 Jahre alt, aber wenn er über sein Projekt spricht, zeigt sich seine ganze Erfahrung auf dem Gebiet. Seine kleine Fabrik ist in einem 120 Quadratmeter großen Haus untergebracht und wurde mit lokal hergestellter Ausrüstung errichtet; nur wenige Spezialgeräte wurden importiert. Beim Aufbau halfen verschiedene NGOs: Die Kosten für die Errichtung der Anlage beliefen sich auf 15.000 US-Dollar, die von Wadi und BMZ zur Verfügung gestellt wurden. Die Vorbereitungen begannen Ende 2022; mittlerweile wurde auch ADWI für das Projekt gewonnen. Wadi hat bereits ein ähnliches Projekt in Halabja und in einem Lager für Binnenflüchtlinge (IDPs) in der Provinz Dohuk durchgeführt. Bakhan Jamal, Direktorin von ADWI und Projektleiterin bei Wadi, berichtet, dass einer der Gründe für die Errichtung der Fabrik in Kifri „das Fehlen von Dienstleistungen und die Vernachlässigung des Bezirks ist. Kifri ist eines der Gebiete, die zwischen der irakischen Regierung und der Regionalregierung Kurdistans umstritten sind. Dies hat bereits zu schweren Umweltschäden geführt.“

Produkte aus altem Plastik, Bild: Wadi

Ich begann, zuhause Plastik zu sammeln und es in die Fabrik zu bringen“, erzählt Sheni Hashem, die mit drei anderen in der Fabrik arbeitet: „Wir komprimieren täglich 50 Kilogramm Plastikflaschen für Wasser, Shampoo und Öl und verkaufen eine Tonne davon für 140 Dollar.“ „Wir mahlen das Plastik und schicken es weiter in den Iran. Dort wird es in Fasern umgewandelt, die bei der Herstellung von Wohnmöbeln verwendet werden,“ ergänzt Omid Ali. Im Irak gibt es bislang keine Abnehmer dafür, weshalb die Rohstoffe in den Iran exportiert werden müssen. Ein Teil des Mülls wird recycelt und zu Stühlen und Tischen, Müllbehältern und Blumentöpfen verarbeitet, nachdem er bei hohen Temperaturen gekocht wurde, damit er für die menschliche Gesundheit ungefährlich ist. Die Recyclinganlage in Kifri unterscheidet sich von anderen dadurch, dass sie Plastik nicht nur zerkleinert, sondern daraus auch noch Gebrauchsgegenstände herstellt. Sie kann recyclingfähige Kunststoffmaterialien vom Typ TET und HDPI verarbeiten.

Auch Sabah Muhammad hat in Garmyan eine Kunststoff-Mahlmaschine installiert. Zwei Arbeiter sammeln Kunststoffabfälle dafür ein. Jeden Tag zerkleinert er 200 bis 400 kg Kunststoff, die anschließend ins Ausland exportiert werden: „Ich war der Erste, der so eine Maschine nach Garmyan gebracht hat. Wenn wir das Plastik nicht einsammeln würden, wäre die Stadt voller Kunststoffabfälle.“

Kinder in einer Schule sammeln Plastik, Bild: Wadi

Bewohner aus allen Bevölkerungsschichten von Kifri sammeln Plastikmüll und bringen ihn zu den Recyclinganlagen, insbesondere Schulkinder. Seit sechs Jahren hat Amina Abdullah, eine 56-jährige Frau aus dem Viertel Shahidan im Bezirk Kalar, keinen Plastikmüll mehr weggeworfen. Wenn sie Plastik verwenden muss, sammelt sie es und ruft alle ein bis zwei Monate einen jungen Mann an, der den Plastikmüll von ihrem Haus zu den Zerkleinerungsanlagen bringt: „Ich habe viel über die Gefahren von Plastik gehört. Ich verwende es selten, weil es die Umwelt nicht zu verschmutzt, sowie meine Gesundheit und die meiner Kinder beeinträchtigt.“ Als Umweltaktivistin sensibilisiert sie für das Thema, angefangen bei ihren Kindern. „Ich habe zwei verheiratete Töchter, denen ich auch gesagt habe, dass sie wie ich selbst Plastikmüll sammeln und ihn zur Recyclingfabrik bringen lassen sollen.“ Sie glaubt, dass ohne die Recyclingfabriken der Plastikmüll einfach willkürlich weggeworfen würde.Keep Kurdistan Green

Auch Raouf Omar stellte vor seinem Restaurant eine Plastiksammelbox auf. Sie füllt sich immer innerhalb kurzer Zeit. „Wir sammeln jede Woche etwa 3.000 Plastikflaschen ein, die dann von einem der Fabrikarbeiter abtransportiert werden. Immer wieder werfen vorbeikommende Leute Wasserflaschen in die Kiste“, sagt Omar. Er hofft, dass das Projekt auf andere Gebiete ausgeweitet wird.

„Mir wird täglich auf dreirädrigen Motorrädern Plastikmüll geliefert. Wir haben Jugendliche dazu gebracht, jeden Plastikbehälter aufzuheben, der auf die Straße geworfen wird. Im Gegenzug verdienen sie bei uns etwas Geld,“ so Omid Ali. „Heute konkurrieren die jungen Männer darum, wer die größte Menge Plastikmüll sammelt und zu uns bringt; früher waren die Straßen und die Geschäftsviertel voller Müll.“ Bei der Fabrik wurden Eisenkörbe bereitgestellt, um den Müll aufzunehmen: „Die Menge des täglich gesammelten Plastiks ist gestiegen, und in Schulen und Kindergärten besteht eine große Nachfrage nach den Produkten unserer Fabrik“, bestätigt auch Sheni Hashem, die ursprünglich zu Hause arbeitete und nun von all ihren Freunden und Verwandten beim Plastiksammeln unterstützt wird.

Bakhan Jamal berichtet, dass insgesamt 18 Sammelbehälter aufgestellt wurden, um Wasserflaschen in Schulen, Fitnessstudios und öffentlichen Orten zu sammeln: „Wir haben auch 10 Kisten in Schulen und öffentlichen Plätzen im Nachbarbezirk Kalar aufgestellt.“ In Kalar gibt es drei Maschinen zum Zerkleinern von Plastik, zwei davon sind sogenannte „Grinder“. Sie sind anderthalb Meter breit und vier Meter hoch; man kann mit ihnen Plastikboxen, Benzinkanister, Waschmittelbehälter und Plastikeimer zerkleinern. Mit einer anderen Maschine, die 10 Meter hoch und zwei Meter breit ist, können Wasserflaschen komprimiert werden.

Im Recyclingcenter hergestellter Blumentopf, Bild: Kirkuk Now

Wenn der Plastikmüll in Kalar nicht verkauft wird, wird er zur Kifri-Fabrik transportiert,“ erklärt Jamal. Eines der Ziele ist dabei, ein Netzwerk zwischen Schulen, Fitnessstudios, öffentlichen Einrichtungen, Regierungsbehörden und Restaurants aufzubauen. „Wir wollen diese Parteien miteinander verbinden und den Austausch zwischen ihnen fördern, um gemeinsam zum Schutz der Umwelt beizutragen.“Green Germian!

Die Erziehung zu mehr Umweltbewusstsein ist einer der wichtigsten Aspekte des Projekts. Für uns ist es wichtig, Kindern von klein auf Plastikvermeidung beizubringen und sie über die Gefahren von Plastik und seine Recyclingmöglichkeiten zu informieren“, sagt Jamal. Deshalb hat die Fabrik in Kifri in 30 Schulen Aufklärungskampagnen organisiert; diese Aktivitäten möchte sie auf fast 100 Bildungszentren vom Kindergarten bis zur Mittelschule ausweiten.

Aram Mohammed Baban, Rektor der Hataw-Grundschule, erzählt: „Anfangs war es schwierig, unseren 659 Schülern die Gefahren von Plastik und das Umweltbewusstsein zu vermitteln, aber das Umweltbewusstsein hat von Tag zu Tag zugenommen.“ Seit mehr als anderthalb Jahren gibt ein Team des Kifri-Projekts Umweltseminare für Schüler der Nawroz-Grundschule. Der Schulleiter Miqdad Fuad berichtet, dass dieser Schritt „einen positiven Einfluss auf die Schüler hatte. Die erste Müllsammelbox wurde in unserer Schule aufgestellt.“

Große Pläne und begrenzte Unterstützung

Ali Khurshid, der Bürgermeister, lobt die Initiative, Plastikmüll in Kifri zu recyceln: „Wir finden das sehr wichtig und unterstützen das Projekt, weil die vielen Plastikflaschen unsere Stadt zerstört haben.“ Er hofft, dass die Plastikrecyclingfabrik von Kifri die Menschen dazu bringen wird, nicht nur in Schulen, sondern auch in Wohngegenden und auf der Straße Plastikmüll zu sammeln. „Ich fände es toll, wenn noch mehr Sammelkisten aufgestellt würden, damit sich der Kunststoff nicht mit dem restlichen Müll vermischt.“ 

„Es stimmt, dass die Bildungsdirektion mit uns zusammenarbeitet und uns erlaubt hat, Plastiksammelboxen in Schulen aufzustellen. Die Gemeinde und das Bildungsministerium sind von der Bedeutung der Fabrik überzeugt, aber es gibt noch keine größeren Initiativen“, bestätigt auch Bakhan Jamal. Sie glaubt, dass die für das Projekt und das Recycling von Plastikmüll nötige Überzeugungsarbeit noch viel Zeit in Anspruch nehmen wird. Das Projekt habe noch nicht das Stadium erreicht, in dem es Gewinne abwirft, da die Ausgaben die Einnahmen bei weitem übersteigen: „Die Produkte, die wir in der Region Kurdistan herstellen, brauchen manchmal ein ganzes Jahr für die Produktion. Auch die Gewinnung von Kunden, die bereit sind, vernünftige Preise für recycelte Plastikprodukte zu zahlen, ist herausfordernd.“ „Die Trennung von Müll ist bei den Menschen hier noch lange keine Selbstverständlichkeit.“

Sammelbehälter, Bild: Kirkuk Now

Omid Ali würde seine Fabrik gerne erweitern und spezielle Maschinen zu kaufen, mit denen auch er Kunststoffgranulat in Fasern umwandeln kann, anstatt das Granulat wie bisher in den Iran zu verkaufen. Dafür fehlt ihm allerdings die Fläche; er besitzt drei Dunam (0,3 Hektar) in Kalar. Zuwenig, um eine größere Fabrik zu errichten. „Die Regierung hilft uns nicht dabei, ein größeres Grundstück zu bekommen.“ Auch Sabah Mahdi [oder Muhammad, siehe oben?], der eine ähnliche Fabrik betreibt, leidet unter mangelnder Unterstützung: „Die Regierung hilft uns nicht und lässt eine Erweiterung unserer Fabrik nicht zu.“

Die kurdische Regionalregierung betont in ihrem Programm zwar die Wichtigkeit von Umweltschutz, verspricht, sich für die Verbreitung des Umweltbewusstseins einzusetzen und fortschrittlicher Systeme für Recycling sowie Abfallmanagement zu entwickeln. Diyar Ali, Leiter der Finanzabteilung, kritisiert den mangelnden politischen Willen: „Kifri wird vernachlässigt und braucht größere Anstrengungen beim Umweltschutz. Regierung und die Stadtverwaltung kümmern sich nicht um die Problematik und haben auch keine Pläne entwickelt, die Umweltverschmutzung durch Kunststoff zu verringern.“

Wir haben auch viele Bäume gepflanzt, aber die Gemeinde kümmert sich nicht um sie.“ Diyar schlägt vor, die Sammelboxen der Kifri-Fabrik auch in öffentlichen Parks und anderen Einrichtungen aufzustellen.

(Der Beitrag wurde von Jan Schenkenberger übersetzt und redaktionell bearbeitet)

Dieses Projekt ist Teil der #KeepKurdistanGreen-Kampagne von Wadi und wird vom deutschen BMZ finanziert.