Gefängnisse spielen in der jüngeren Geschichte des Irak als Folter- und Mordstätten eine unrühmliche Rolle. Traditionell sind sie Verwahranstalten, die auch wegen Bagatelldelikten verurteilte Kurzzeithäftlinge häufig nicht lebend verlassen. Zu einer demokratischen Entwicklung der Gesellschaft gehört auch ein anderes Verständnis von der Institution Gefängnis. WADI unterstützt daher Selbsthilfeprojekte für Gefängnisinsassen.
Seine neue Rolle scheint ihm zu gefallen. Kaum hat sich das schwere Eisentor hinter uns geschlossen, wird Mohammed Sarkawt von allen Seiten bestürmt. Der Ton ist bei allem Respekt freundschaftlich. Alle fragen nach den versprochenen Trikots. Sie haben vor einem halben Jahr eine Fußballmannschaft aufgebaut, und nummerierte Trikots sind die Voraussetzung, um gegen andere Mannschaften in Suleymania und Umgebung spielen zu dürfen. Und die Häftlinge im Männergefängnis von Suleymania wissen: Ihr Direktor ist selbst Fußballfan, irgendwann wird er die Trikots beschaffen.
Auch im Justizwesen hat sich in den vergangenen Jahren in Irakisch-Kurdistan einiges geändert. Als ein Gefangenenkomitee und WADI mit dem Vorschlag kamen, Projekte im Gefängnis von Suleymania zu starten, war auch Direktor Mohammed Sarkawt skeptisch. Eine Gefängnisbibliothek, Sprachkurse, Werkstätten? Für Häftlinge? Doch das Justizministerium in Suleymania stimmte zu. Die Häftlinge haben hier nun im eng gesteckten Rahmen der Gefängnisvorschriften die Möglichkeit bekommen, in Eigeninitiative ein menschenwürdiges Leben aufzubauen, sie können sich weiterbilden, praktische Kenntnisse erwerben, selbst eine eigene Zeitung herausgeben.
Für WADI gehörte zum Entschluss, sich für die Verbesserung der Situation der Häftlinge zu engagieren, auch das zentrale Anliegen, die Selbstorganisation marginalisierter Gruppen zu fördern. Gerade im Umgang mit ihren Randbereichen markiert eine Gesellschaft Standards, die auf die ganze Gesellschaft ausstrahlen. WADI unterstützt seit 1994 Projekte in den Gefängnissen von Suleymaniah.
Einfach ausgestattete Werkstätten, eine Schlosserei und eine Schreinerei, eine Bibliothek von 800 Bänden und Weiterbildungskurse – etwa in Englisch, für Computerkenntnisse oder Alphabetisierung – können nur ein Anfang sein. Die Weiterentwicklung der Gefängnisprojekte zusammen mit engagierten Beteiligten sowohl aus dem Justizvollzug wie aus den Reihen der Häftlinge selber braucht kontinuierliche Förderung, die zur Zeit leider nicht gewährleistet ist. Oft fehlt es nur an Materialien, Kopien für Unterrichtsmaterialien oder Materialnachschub für die Werkstätten.
Und das Gefangenenkomitee hat viele weitere Ideen. Ganz oben auf der Wunschliste steht ein Raum, in dem die Häftlinge an Besuchstagen ihre Familien empfangen können. Auch offiziell sollen im Strafvollzug in den von der kurdischen Regionalverwaltung kontrollierten Gefängnissen eigentlich Rehabilitierung und Wiedereingliederung der Gefangenen im Vordergrund stehen. Der Wille ist ja da, sagt der Sprecher des Gefangenenkomitees, aber, besonders in den Gefängnissen, kein Geld.