Die Spielmobile: Spielplätze auf Rädern

2005 fuhr zum ersten Mal ein bunt bemalter Spielbus von Wadi in entlegene, unterversorgte Dörfer. Inzwischen sind diese mobilen Spielplätze, die viel mehr bieten als nur ein wenig Spaß und Abwechslung, in den kurdischen Regionen Pishder, Germian und Erbil fester Bestandteil unserer Programme. 

spielbus3

Spielbusse gewähren unseren Sozialarbeiterinnen niedrigschwelligen Zugang zu Dorfgemeinschaften und ermöglichen damit effektive Gesundheitsaufklärung und Gewaltprävention.

Ob in der Pishder an der iranischen Grenze, in der Region Germian im Süden Kurdistans oder rund um Erbil, der boomenden Hauptstadt der Region – Wadis Spielbusse werden an ihren täglich wechselnden Einsatzorten immer sehnsüchtig erwartet. Selbst Besucher/innen aus Europa oder Amerika, die sonst in einem abgelegenen kurdischen Dorf durchaus einen gewissen Attraktionswert besitzen, finden da kaum Beachtung. Wer das einmal gesehen hat, versteht: Für diese Kinder ist es etwas ganz Besonderes, dass sie einmal wirklich im Mittelpunkt stehen und ihre Bedürfnisse etwas zählen. Unbeschwert Spaß zu haben, ist für sie keine Selbstverständlichkeit. Viele haben noch nie einen Spielplatz gesehen. Ein kleiner Junge erzählt, er habe bisher immer gedacht, dass nur Kinder im Fernsehen solche Spielsachen hätten.

Unterwegs in vernachlässigten Regionen

Ein Spielmobil-Team besteht aus einem Fahrer – der, wenn es hoch hergeht, auch mal mit Fußball spielt – und zwei Pädagoginnen. Sie sind an vier Tagen in der Woche von 8.30 bis 14 Uhr unterwegs, um ihren mobilen Spielplatz in einem Dorf oder an einer Schule, bei der sie sich vorher  angekündigt haben, aufzubauen. Die Regionen, in denen unsere Spielmobile unterwegs sind, werden trotz ihrer großen Bedürftigkeit bis heute von der Regionalregierung vernachlässigt. Das gilt selbst für das Umland für Erbil. Es fehlt vor allem an Infrastruktur, medizinischer Versorgung und gesundheitlicher Aufklärung. Ältere Menschen leiden noch immer unter physischen und psychischen Spätfolgen der Vernichtungsaktionen des Saddam-Regimes in den Achtziger Jahren.

An Bord der Busse befinden sich neben zahlreichen Spiel- und Malsachen auch Musikinstrumente, Sport- und Spielgeräte, Schreibutensilien, sowie eine kleine Kinderbibliothek. Solange der Bus in einem Dorf ist, können die Kinder alles nach Herzenslust nutzen. Zum Programm gehören organisierte Spiele, Wettrennen und eine Vorlesestunde. Alle Kinder umringen dann gespannt die Vorleserin, die meist ein Märchen vorträgt und dazu entsprechende Illustrationen zeigt.

(Video: Ein Tag mit einem Spielbus unterwegs)

Ziel dieses Projektes ist es, die Entwicklung dieser gleich mehrfach benachteiligten Kinder durch spielendes Lernen zu unterstützen. Die Erfahrungen werden kontinuierlich erfasst und ausgewertet, um das Angebot in pädagogischer wie in praktischer Hinsicht zu optimieren. Ein Tag in der Arbeitswoche ist der Planung und Evaluierung innerhalb des Teams gewidmet. Die Teams erhalten bei ihren Aufenthalten gute Einblicke in die speziellen Probleme und Nöte der einzelnen Dörfer. Solche Informationen sind wichtig für die Planung neuer Projekte, und gegebenenfalls wird auch die regionale Verwaltung von Missständen in Kenntnis gesetzt oder Kontakt zu Presse und Medien hergestellt. Akute Fälle, etwa von häuslicher Gewalt, können individuell bearbeitet und besprochen werden. Gegebenenfalls erhalten Frauen Rechtsberatung oder werden an Frauenschutzinitiativen weiterverwiesen.

spielb4

Das Spielbus-Programm ist eingebettet in die No-Violence Kampagne, die Wadi seit mehreren Jahren erfolgreich an zahlreichen Schulen in der Region durchführt.

Das Programm zeichnet sich, wie alle Wadi-Projekte, dadurch aus, dass Orte nicht nur einmalig, sondern in Abständen immer wieder angefahren werden. Die Teams bleiben mit den Menschen vor Ort in Kontakt. So wird Vertrauen aufgebaut und eine Atmosphäre geschaffen, die es nach einiger Zeit auch ermöglicht, weitgehend tabuisierte Themen wie Sexualität und Gewalt zu besprechen. Ein Spielbus kann etwa 50 Dörfer mit insgesamt bis zu 2000 Kindern betreuen.

Dieses Projekt wird in Zusammenarbeit mit unserem lokalen Partner ADWI umgesetzt, der regelmäßig Updates auf FB postet.

Weitere Unterstützung wird gebraucht

Es überrascht nicht, dass ein Spielbus fortlaufend neues Spielmaterial benötigt. Verschleiß bleibt nicht aus, und das Ausleihen und die kostenlose Ausgabe von Kleinigkeiten wie Malblättern oder Stiften sind zentral für das Projekt. Zur Grundidee gehört auch die Einbeziehung von örtlichen Behörden und die Suche nach lokaler Unterstützung. Wir streben Kooperationen mit Schulen an und fördern das Engagement von engagierten Einzelpersonen. All das soll letztlich dazu dienen, das Bewusstsein für die Bedürfnisse von Kindern zu schärfen.

Immer wieder tragen Dorfbewohner/innen und vor allem auch Kinder ihre Sorgen und Wünsche an die Teams heran, sei es die Frage nach Nähkursen für die Frauen oder die Bitte, an den Spieltagen doch auch etwas zu essen oder Kleidung für Bedürftige anzubieten. In Dörfern, in denen es keine Schule gibt, gibt es den sehr verständlichen Wunsch nach einem Fahrdienst für Schüler/innen.

In einem Dorf in Germian vertraute ein achtjähriges Mädchen unserem Team einmal an: „Ich habe geträumt, dass ihr in unserem Dorf bleibt und mit uns hier lebt.“

Bitte helfen Sie mit Ihrer Spende, dass diese Spielbusse auch weiter fahren können

Die Spielbusse in der Pishder und Erbil wurden mit Unterstützung des deutschen Generalkonsulates in Arbil ermöglicht.