‘Alle Hoffnung verloren‘ – Über weibliche Gefangene & Gewalt in Irakisch-Kurdistan

Auch im Jahr 2018 treiben lokale Wadi-Teams die „No to Violence“-Kampagne voran. Mit unserer medialen Präsenz und der direkten Einbindung von Eltern und Kindern arbeiten wir hart daran, die Gewalt gegen Kinder und Jugendliche zuhause und in der Schule einzudämmen. Die Fortschritte können Sie auch auf Facebook verfolgen.

Das folgende Interview ist Teil einer Publikationsreihe, in der unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus Irakisch-Kurdistan direkt zu Wort kommen und öffentlich über ihre Erfahrungen, Meinungen und Lebensrealitäten reflektieren. Mit diesen Interviews möchten wir ihre Stimmen verstärken und unsere Transparenz erhöhen.

Diese Frauen haben jedes Vertrauen in das Leben, in ihre Familien, in das Essen, das sie essen und die Dinge, die sie sehen, verloren.

Shokh Mohammed interviewt in diesem Teil die Mitarbeiterinnen des Wadi-Teams in Erbil Kurdistan Rasul (Sozialarbeiterin) und Payam Ahmed (Juristin) zu den Themen ‚Frauengefängnis‘ und ‚Gewalt an Kindern‘. Bis zum August 2018 hat das Wadi Team in Erbil 55 „Aufklärungsseminare“ veranstaltet, von denen 757 Frauen profitierten. Sie boten außerdem individuelle juristische und soziale Beratung in 18 Fällen für Frauen an, die derzeit in Erbil inhaftiert sind.

Kinder, die ein Seminar über ihre Rechte im Rahmen der „No to Violence“-Kampagne besuchen.

Für die „No to Violence“-Kampagne habt ihr mit Kindern gearbeitet. Was sagen sie zu dem Thema ‚geschlagen werden’?

KR: Sie mögen es nicht geschlagen zu werden. Ich wünschte wirklich, wir könnten uns mit den Kindern hinsetzen und mit ihnen über Gewalt reden, ohne sie zu triggern. Es ist ganz normal für sie geschlagen zu werden, die Kinder sind sich nicht darüber im Klaren, dass sie Rechte oder irgendeinen Wert haben – das ist ja nicht einmal den Eltern klar.

Ihr habt noch nicht angefangen mit Schulen in Erbil zu arbeiten, aber habt ihr von irgendwelchen Fällen von Gewalt in den Schulen gehört?

KR: Es gibt diese Fälle, ja. In der Stadt wissen Kinder aber, dass dies nicht erlaubt ist, was in den Dörfern nicht der Fall ist. Wenn Kinder es in den Städten mit Gewalt zu tun haben, erzählen sie ihren Eltern davon. Ich denke daher, es lässt sich sagen, dass in den städtischen Schulen körperliche Bestrafungen rückläufig sind. Psychische Gewalt nimmt hingegen zu.

Eine Insassin erzählte mir einmal, dass sie nach Suleymaniah gebracht werden würde, um ihre Kinder im Waisenhaus zu besuchen. Am nächsten Tag sprach ich sie wieder, sie erzählte: „Ich habe meine Kinder nicht erkannt. Sie haben mich erkannt.“ Ich musste stundenlang darüber weinen. Was geschieht da mit einer Mutter, dass sie ihre eigenen Kinder vergisst…?

In den Gefängnissen in Erbil seid Ihr aber schon gewesen. Was herrschen dort für Zustände und wie ist die Verfassung der Gefangenen?

KR: Schon vor meiner Arbeit mit Wadi habe ich für drei Jahre in Gefängnissen gearbeitet. Ich habe viele Frauen gesehen, die dafür eingesperrt waren, sich dem IS angeschlossen zu haben. Eine hatte eine lebenslange Haftstrafe. Diese Frauen haben jedes Vertrauen in das Leben, in ihre Familien, in das Essen, das sie essen und die Dinge, die sie sehen, verloren. Viele fangen im Gefängnis an zu rauchen und lernen, aggressiv und hasserfüllt zu sein.

An diesen Orten gibt es keine Rehabilitation; mentale, verbale und physische Gewalt sind allgegenwärtig. Das Gefängnispersonal bräuchte intensiven und gründlichen Unterricht zum richtigen Umgang mit Insassinnen.

Eine Insassin erzählte mir einmal, dass sie nach Suleymaniah gebracht werden würde, um ihre Kinder im Waisenhaus zu besuchen. Am nächsten Tag sprach ich sie wieder, sie erzählte: „Ich habe meine Kinder nicht erkannt. Sie haben mich erkannt.“ Ich musste stundenlang darüber weinen. Was geschieht da mit einer Mutter, dass sie ihre eigenen Kinder vergisst…?

PA: Die Frauen sind in schlechten mentalen Zuständen, sie haben einen niedrigen gesellschaftlichen Status, ihre Familien verstoßen sie. Sie kriegen keine Beihilfen und keine Kleidung. Manchmal teilen Frauen ihre Kleider. Mir fallen immer wieder die Frauen auf, die dafür einsitzen, bei der Prostitution erwischt worden zu sein. Diese Frauen haben Kinder und diese Kinder wachsen bei ihnen im Gefängnis auf: Sie bekommen von all diesen Erwachsenendingen mit und sehen all das Übel um sie herum.

Wo Du die Kinder in Gefängnissen erwähnst: Haben sie Zugang zu Gesundheits- oder Bildungsangeboten?

KR: So weit wir wissen gibt es nichts dergleichen. Was sie zu sehen und beigebracht bekommen, kommt von den anderen Insassinnen: Schreien, Kreischen und Fluchen…

Wadi arbeitet daran, das Programm für weibliche Gefangene und ihre Kinder zu erweitern. Wenn Sie für dieses Projekt spenden möchten, klicken Sie bitte hier.