Das Jinda-Zentrum für Opfer des Islamischen Staates

Im Juli 2015 eröffnete WADI das Jinda-Zentrum für Mädchen und Frauen, die zuvor vom Islamischen Staat (IS) entführt und missbraucht worden waren. Jinda heißt auf Kurdisch Wiedergeburt und der Name soll Programm sein: In dem mitten in Dohuk liegenden Zentrum wird den Frauen unter anderem psychologische und medizinische Betreuung angeboten. Ebenso finden Gruppenaktivitäten und Weiterbildungskurse statt. Inzwischen ist Jinda eine eigene kurdische NGO.

 

 Die Gesamtzahl aller Eziden und Ezidinnen, die WADI seit September 2014 bis heute hat unterstützen könnte, beläuft sich auf einige Tausende. Indessen ermöglicht die langjährige Arbeit in der Region und die entsprechend gute Vernetzung, einen ganz besonderen Zugang zu den Mädchen und Frauen. Im gleichen Zeitraum hat WADI somit bereits über 800 ehemalige Gefangene des IS betreut, die glücklicherweise haben entkommen können. Medizinisch, psychologisch, menschlich und durch den Versuch, international das Bewusstsein für die fürchterlichen Zustände zu schärfen, unter denen vor allem die Ezidinnen leiden, seit der Terror die Region erreicht hat. Hierbei wurden Hunderte von Fällen dokumentiert und in die Medien gebracht, in denen ein Mädchen oder eine Frau als Sexsklavin gehalten wurde.

Das Jinda-Zentrum

Schließlich, nachdem immer mehr Mädchen und Frauen dem IS entkommen konnten, wurde  WADI unter anderem vom italienischen Außenministerium und UNICEF angefragt, ein solches Zentrum zu eröffnen. Wenn sie in Dohuk ankommen, befinden sich diese Mädchen mental und körperlich in unvorstellbar schlechtem Zustand, nachdem viele (wenn nicht die meisten) Mädchen und Frauen oft monatelang , extremer Gewalt, Schlägen, Folter und sexuellem Missbrauch ausgesetzt waren. Sie wurden teilweise zwangskonvertiert und als de facto Sklavinnen gefangen gehalten.

Reportage von Bild.de: Jinda; Hier finden Jesidinnen zurück ins Lebenjinda bild

Auch nach ihrer Flucht oder Befreiung prägen diese Erlebnisse jede Stunde ihres Lebens. Der Weg zurück ins Leben, so er überhaupt möglich ist, ist entsprechend schwer, und für die meisten auch ein sehr langwieriger Prozess. Viele fühlen sich zudem schuldig oder betroffen, es aus dieser Hölle herausgeschafft zu haben, während Familienmitglieder und Freundinnen weiter unter dem IS zu leiden haben:

H., eine 32-jährige Frau mit sechs Kindern, die vierundzwanzig ihrer Familienmitglieder durch den IS verloren hat und heute in einem Flüchtlingslager lebt, berichtet: „Ich kann nicht aufhören an meine Familie zu denken. Ich leide durchgehend.“

Auch wenn die ezidische Gemeinschaft erklärt hat, diese Mädchen wieder mit offenen Armen empfangen zu wollen, haben viele Mädchen es schwer, von eigenen Familienmitgliedern oder einem größeren sozialen Umfeld, sowie Mitbewohnern in Flüchtlingscamps akzeptiert zu werden. Sie fühlen sich stigmatisiert.

„Wenn sie bei uns ankommen, sind sie kollabiert, vollkommen. Psychisch, gesundheitlich – alles. Schritt für Schritt resozialisieren wir sie.“ Cheman Rasheed, Leiterin des Jinda Zentrums

Die mobilen Teams von Wadi, die wie die Jinda-Mitarbeiterschaft nur aus Frauen bestehen, und fast täglich in den Flüchtlingslagern unterwegs sind, sind oft der erste Kontakt, den diese Mädchen nach der Flucht haben. Sie sprechen mit ihnen, machen sich ein Bild von der jeweiligen Situation und leisten erste dringende Hilfestellungen. Außerdem erzählen sie ihnen von Jinda und was man dort für sie tun kann. Unsere Teams bestehen aus Experten, die mit dem nötigen Einfühlungsvermögen, Diskretion und Professionalität arbeiten; in den Camps und der Region allgemein genießen sie eine große Beliebtheit.

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Im Jinda-Zentrum wird diese Arbeit und Arbeitsweise fortgesetzt. „Jinda“ ist ein kurdisches Wort für „neues Leben“. Und für einen Neustart ins Leben will das Zentrum seinen Beitrag leisten. Zwar ist es auch ein Schutzraum, vielmehr noch aber ein Ort, um neue Kraft zu schöpfen, genauso wie Hoffnung und ein neues Kapitel im Leben zu beginnen.

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Zu den Angeboten des Zentrums zählen neben psychologischer Betreuung, Kurse und Weiterbildungsmöglichkeiten mit jeweils bis zu 35 Teilnehmerinnen, etwa in den Bereichen Gärtnern, Handwerk, Handarbeit und Computer. So sollen Möglichkeiten geschaffen werden, dass sich die Mädchen später selbst versorgen können, womöglich auch ihre Familien. Einigen der Frauen, die von Jinda und Wadi betreut wurden und werden, haben sich mittlerweile selbstständig gemacht und verkaufen ihre eigene Produkte. Darüber hinaus dienen diese Aktivitäten der Unterhaltung und Ablenkung.

 Taz: Wadi hilft IS-Opfern im Nordirak; Sich ins Leben zurücktasten

Die individuelle Unterstützung wird dabei nicht vernachlässigt, ganz gleich ob es sich um medizinische, psychologische oder rechtliche Fragen oder Schwierigkeiten im Umgang mit Behörden handelt. Ein wichtiger Aspekt bei alledem bleibt, dass die Mädchen und Frauen sich untereinander über ihre Erfahrungen und Gefühle austauschen können, ohne verurteilt zu werden. Die mobilen Teams wiederum, halten den Kontakt zu sehr vielen der ehemalig betreuten Mädchen und Frauen, und stehen immer wieder zur Verfügung, wenn sie noch einmal bei irgendetwas Hilfe benötigen. Die Dauer der Betreuung durch das Zentrum und die Teams ist stets abhängig von den individuellen Bedürfnissen und kann jederzeit wieder aufgenommen werden.

Unter anderem ist es diese Beständigkeit, die für ein großes Vertrauen gegenüber WADI und Jinda (nicht nur) in der ezidischen Community ursächlich ist. Mittlerweile hat das Projekt eine etablierte Funktion als Koordinationsstelle, für ezidische Aktivitäten, Projekte und Neuigkeiten übernommen.

Für die Arbeit mit traumatisierten Opfern von Gewalt, spezifisch auch sexueller, haben sich die Mitarbeiterinnen vielseitig ausbilden lassen, bei UNICEF, der Salt Foundation, Heartland Allicance, UNESCO und der Jiyan foundation. Gemäß dem Ziel von WADI, lokale Projekte nur so lange wie nötig mitaufzubauen oder zu unterstützen, bis sie sich selbst erhalten können, ist auch Jinda mittlerweile eine eigenständige NGO.

Seit September 2015 ist sie in Irakisch-Kurdistan als solche registriert und ein wichtiger Partner, sowie integraler Teil in unserem Netzwerk.

Die Arbeit von Jinda wird unter anderem ermöglicht dank der Unterstützung der Salt Foundation, von Khalsa Aid, verschiedener Lions Clubs aus Niedersachen und vieler Einzelspender.