Diesen Juni haben wir zusammen mit unseren Partnern eine einjährige Kampagne für Active Citizenship und Menschenrechte begonnen. Die ersten 30 Tage der Kampagne waren besonders Kinderrechten gewidmet; denn Bildung ist nichts weniger als ein Menschenrecht und kein Privileg.

Jesidische Schüler demonstrieren für ihr Recht auf Bildung
Die Ankündigung der irakischen Regierung, ab Juli 2024 Flüchtlingslager nicht mehr finanziell zu unterstützen, bedroht die Sicherheit von Hunderten Jesiden. Die Regierung kündigte außerdem an, neben den Geldern auch keine Hilfeleistungen mehr zur Verfügung zu stellen und staatliche Dienstleistungen aus den Lagern abzuziehen. Dies dürfte dazu führen, dass auch die Schulen in den Lagern nach dem Sommer ihren Betrieb einstellen müssen.
Diese Entscheidung hat bei vielen Menschen große Ängste ausgelöst. Das gilt insbesondere für die jesidischen Kinder in den Lagern, denn sie verstehen, dass mit der Schließung der Lager auch ihre Schulbildung enden wird. Denn bisher gibt es für sie keinen Zugang zu Schulen außerhalb der Lager.
Aber die Kinderrechtskonvention ist eindeutig: Alle Kinder haben ein Recht auf Bildung. Ihnen diese Bildung vorzuenthalten ist eine elementare Verletzung ihrer Menschenrechte und ein Akt der Gewalt gegen Kinder.
Das ist erst der Anfang. Wir haben ein ganzes Jahr voller Projekte vor uns, die sich alle auf das Konzept des bürgerschaftlichen Engagements konzentrieren, ein Begriff, den wir „aktive Staatsbürgerschaft“ nennen und der auch von unseren Partnern ADWI, Jinda und Kirkuk Now, vor Ort verkörpert wird. Dabei verfolgen wir einen multidisziplinären und intersektionalen Ansatz, um verschiedene Facetten des Konzepts „aktiver Bürgerschaft“ zu beleuchten. Was bedeutet es, Bürger zu sein und sich gemeinsam in der lokalen Kommunalverwaltung für die Gemeinschaft zu engagieren?
Zu unseren Projekten gehören Bürgerjournalismus, gewaltfreie Bildung, Umweltschutz, der Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt und die Beschneidung von Frauen, eine Verbesserung des öffentlichen Gesundheitssystems und die Verbesserung der Kommunikation zwischen den verschiedenen bürgerschaftlichen Akteuren und Gemeinschaften. Diese bahnbrechende Kampagne ist Teil eines dreijährigen Projekts, mit dem einen neuen, multilateralen und intersektionalen Ansatz von Bürgerschaft fördern wollen. Unterstützt werden wir darin vom Konsulat der niederländischen Regierung im Irak. Jedes der genannten Themen werden wir im Laufe des Jahres mit einem gesonderten Schwerpunkt versehen.
Im Juni war das zentrale Thema der Zugang zu Bildung als Voraussetzung aktiver Staatsbürgerschaft. Es war uns wichtig Kindern einen Raum zu geben, um ihre Forderungen zu stellen:
„Wir, die jesidischen Kinder des Irak, haben ein Recht auf eine Zukunft mit Bildung und auf eine eigene Stimme. Auch wir sind Irakis und unser Recht auf Bildung ist in der Verfassung und in der Internationalen Konvention über die Kinderrechte verankert.“
Um wirklich zu verstehen, warum der aktuelle Versuch, den Flüchtlingslagern die Finanzierung zu entziehen so desaströse Auswirkungen hat, muss man die jüngste Geschichte der Jesiden kennen: Am 3. August 2014 fand das Massaker von Sinjar statt, das inzwischen als Völkermord anerkannt wurde.
Tausende verloren ihre Heimat oder gar ihr Leben. Hunderte junger Frauen wurden von ISIS-Kämpfern gefangen genommen und in die Sklaverei verkauft. Das Land der Jesiden wurde systematisch zerstört. Zehn Jahre später sind Hunderttausende Jesiden noch immer gezwungen, in Flüchtlingslagern rund um Dohuk zu leben. Die Jüngeren kennen keine andere Umgebung, da sie in den Lagern geboren wurden.
Fast zehn Jahre lang haben die Jesiden sehr hart für eine Verbesserung ihrer Situation gearbeitet. Sie haben Schulen gegründet und gesellschaftliche Strukturen neu aufgebaut. Sie haben die berechtigte Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Doch die Ankündigung der irakischen Regierung, den Lagern die Finanzierung zu streichen, bringt sie erneut in eine schwierige Lage. Die Regierung möchte die Jesiden ermutigen, nach Sinjar zurückzukehren. Sie behauptet, das Gebiet sei befreit und für Zivilisten sicher. Aber die Wahrheit sieht anders aus. Bis heute wimmelt die Region von Milizen, Blindgänger und Munition lagern überall, Häuser und Dörfer sind nach wie vor zerstört, auch die Äcker können noch immer nicht bestellt werden. Sicherheit und die Möglichkeit zu wirtschaftlicher Eigenständigkeit gibt es in der Region bisher so gut wie nicht.
Selbst wenn das Vorhaben der Regierung am Ende nicht umgesetzt werden sollte; bereits die bloßen Ankündigungen haben in den Lagern zu viel Stress, Angst und Unsicherheit geführt. Die Menschen fürchten, keinen Platz mehr zum Bleiben zu haben. Schüler wandten sich an unsere Teams und äußerten die Sorge, den Zugang zu Schulbildung zu verlieren.
All dies geschah kurz vor dem 1. Juni, als Menschen auf der ganzen Welt den Internationalen Kindertag feierten, um für die Rechte von Kindern zu werben. Wir wussten, dass diese Schüler konkrete Hilfe brauchen. Es sind ihre Stimmen, die heute gehört werden müssen! Schüler aus dem Lager Khanke, nur eines der vielen jesidischen Lager, nahmen ihre Stifte um ihre Ängste auszudrücken und für ihren Wunsch nach Bildung zu demonstrieren. Sie, die durch den von ISIS verübten Völkermord bereits fast alles verloren haben, kämpfen heute für ihre einzige Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Für diese Jesiden ist ein Tag im Jahr im Kampf für ihre Grundrechte nicht genug. Deshalb hat Wadi gemeinsam mit seinen Partnern beschlossen, den Juni zum Monat der Kinderrechte zu erklären. Wir wollen auch weiterhin verschiedene Initiativen unterstützen, um jesidische Schüler zu stärken und ihre Forderungen nach Fortsetzung ihrer Ausbildung zu unterstützen. Helfen Sie uns, Solidarität mit diesen Kindern zu zeigen und ihre Forderung nach Bildung zu unterstützen!
Das ist so wichtig, weil:
- Die irakische Regierung ab Juli alle Leistungen in den Flüchtlingslagern streichen will, einschließlich der Schulen. Dies wirkt sich unmittelbar auf das Recht jesidischer Kinder auf Bildung aus, das durch die irakische Verfassung und die Internationale Kinderrechtskonvention garantiert wird.
- Jesidische Kinder bereits jetzt mit zahlreichen Traumata leben. Für sie ist die Schule ein Ventil dafür und zugleich eine Chance auf eine bessere Zukunft.
Das sind nur zwei Gründe, warum wir ein ganzes Jahr voller Aktionen planen, in dem wir uns auf das Konzept von aktiver Staatsbürgerschaft und das Recht auf Bildung konzentrieren. Dabei werden wir mit Organisationen wie ADWI, Jinda und Kirkuk Now zusammenarbeiten.