Männer und der Kampf gegen Genitalverstümmelung: Über die Notwendig eines Dialogs

Es ist wichtig, Männer in Kampagnen gegen Genitalverstümmelung einzubeziehen. Einige Lehren aus früheren Erfahrungen unserer STOP FGM-Projekte.

Von Bakhan Jamal, Sahiyo Blog, 18.09.2024

Mit anderen über FGM zu sprechen, ist nicht immer einfach, besonders wenn man mit Männern über das Thema spricht. Im Juni veranstaltete Sahiyo anlässlich des Vatertags eine Aufklärungskampagne, um deutlich zu machen wie wichtig es ist, FGM auch in Gesprächen mit Männern zu thematisieren.
Im Rahmen dieser Kampagne wandte sich Sahiyo an Bakahn Jamal, die Projektleiterin bei Wadi ist; ein großer Teil ihrer Arbeit besteht darin, in ländlichen Gemeinden mit regionalen Honoratioren über die Gefahren von FGM zu sprechen und aufzuklären.
Im Folgenden berichtet Bakahn von ihren Erfahrungen und gibt Ratschläge für Gespräche mit Männern über FGM. Für sie sind diese Gespräche für Beendigung von FGM von entscheidender Bedeutung.

1. Wie haben Sie begonnen, mit Männern über FGM zu sprechen?

Immer wenn wir mit Frauen zum Thema FGM und [seine Folgen] – etwa Intimität und sexuelle Probleme – arbeiten, sagen sie uns, dass wir auch mit ihren Ehemännern darüber sprechen müssen, da „er bestimmte Reaktionen und Gefühle von mir nicht versteht“. Diese Aufforderung hat uns klar gemacht, wie wichtig es ist, auch die Männer in das Gespräch über die Thematik einzubeziehen. Deshalb begannen wir mit Männern zu arbeiten und fragten sie, was sie über FGM wussten und was sie über diese Praxis dachten. Danach konnten wir sie auffordern, uns zu helfen, für eine Beendigung der Praxis in ihren Gemeinden zu werben.

2. Welche Erfahrungen haben sie gemacht, wenn sie diese Praxis aus ihren eigenen Gemeinden Männern gegenüber angesprochen haben?

Es ist immer heikel, mit Männern über Genitalverstümmelung zu sprechen; man weiß nicht, was einen erwartet. Üblicherweise gilt Genitalverstümmelung als „Frauensache“, das heisst, dass Männer sich dem Gespräch über solche Praktiken entziehen und einer Beschäftigung damit ausweichen. Die meisten werden jeden Gesprächsversuch abblocken, einige werden peinlich berührt sein oder sogar aggressiv – und zugleich steht fest, dass sie praktisch keine Vorstellung haben, was Genitalverstümmelung bedeutet. Deshalb ist es grundlegend, die Männer in unseren Gesprächen erst einmal aufzuklären. Nur so lässt sich ein produktives Gespräch führen.

3. Sind Ihre Erfahrungen eher positiv oder negativ?
Ich bekomme sowohl positive als auch negative Reaktionen. Manche Männer sind wirklich verärgert und beschimpfen uns, weil wir solche „peinlichen und beschämenden“ Dinge thematisieren.

Es gibt jedoch auch Männer, die über das Gespräch froh sind und uns erzählen, wie viele Probleme FGM auch in ihrer Ehe verursacht. Einige Männer begannen auch, sich selbst für die Beendigung der Praxis in ihren Gemeinden einzusetzen, nachdem sie verstanden hatten, was FGM für Frauen und Mädchen bedeutet. Ein sehr gutes Beispiel für diese Gruppe ist Kak Sarhad. Er war Bürgermeister im Dorf Tutaqal. Sein Beispiel und seine Bereitschaft, das Thema anzusprechen, waren einer der Gründe, warum das Dorf FGM-frei wurde. Er half, viele Mädchen seiner Gemeinde vor der Beschneidung zu retten.

4. Hat das Gespräch mit Männern über FGM Ihre eigene Herangehensweise an die Arbeit zur Beendigung von FGM verändert und wenn ja, wie?

Mir ist klar geworden, dass Männer eine sehr große Hilfe bei der Beendigung der Praxis sein können. Es gibt so viele einflussreiche männliche Persönlichkeiten in unserer Gesellschaft! Sie können einen enormen positiven Wandel in unseren Gemeinden bewirken, von Geistlichen über Bürgermeister bis hin zu Stammesführern oder den Ehemännern. FGM ist nicht nur ein Frauenproblem – diese Praxis betrifft auch Männer und das Wohlergehen und die Zukunft ihrer Familien. Wenn Männer verstehen, dass FGM ihre Töchter, Frauen und überhaupt alle weibliche Verwandte und Freunde gefährdet, verstehen sie auch, dass sie mit Gleichgültigkeit gegenüber der Praxis alles nur noch schlimmer machen. Deshalb versuchen wir vor allem, mit den Vätern über das Thema zu sprechen, da sie in unserer Gesellschaft oft die Entscheidungsträger in der Familie sind. Wenn sie also sagen „Meine Töchter dürfen nicht verstümmelt werden“, bezweifle ich, dass sich irgendjemand in der Familie dagegen stellen würde. Wenn es gelungen ist, die Unterstützung eines respektierten Mannes zu gewinnen, wird niemand Ihre Motive in Frage stellen, selbst wenn Sie sich für die Beendigung einer sehr tief verwurzelten Tradition einsetzen.

5. Welche Botschaft möchten Sie Männern vermitteln, warum das Ende der Genitalverstümmelung wichtig ist?

Ich möchte jedem Mann sagen, dass FGM nicht nur ein Frauenproblem ist – diese Praxis betrifft auch Männer, das Wohlergehen und die Zukunft ihrer Familien. Genitalverstümmelung kann sehr zerstörerisch sein. Männer merken oft nicht, dass ihre Folgen bis in kleine Alltäglichkeiten ihres Lebens reichen und für die Menschen, die sie lieben, auch tödlich sein können. Deshalb: Informiert Euch und versteht, dass Gleichgültigkeit und Unwissenheit eure Tochter, eure Schwester oder eure Frau um die Zukunft bringen könnten, die sie verdienen.

Übersetzung: Jan Schenkenberger