Rückblick: Jede vierte Frau im Zentral- und Südirak von Genitalverstümmelung betroffen, so eine Studie.

2013 unterstützte Wadi eine Studie über Verbreitung von Genitalverstümmelung bei Frauen im Mittel und Zentralirak. Bereits in den Jahren 2011 und 2018 hatte UNICEF Multiple Indicator Cluster Surveys, detaillierte Haushaltsumfragen, zum Thema vorgelegt. UNICEF war zu dem Schluss gekommen, dass Genitalverstümmelung außerhalb der Region um Kirkuk und Irakisch-Kurdistans nicht oder kaum vorkomme.

Die von Wadi unterstützte Forschungsarbeit kam zu ganz anderen Erkenntnissen. Ihr zufolge sind die Ergebnisse der UNICEF-Studie nicht sehr vertrauenswürdig; WADI fordert deshalb eine neue, umfangreiche Untersuchung der Thematik.

Der nun folgende Artikel wurde von the Iraqi Civil Society Solidarity Initiative im Jahr2014 veröffentlicht:

Eine erste, unabhängige Untersuchung zu weiblicher Genitalverstümmelung im Mittel- und Südirak stellt fest, dass 25% der Frauen in dieser Region Genitalverstümmelung erleiden mussten.

Die Studie wurde zu Anfang des Jahres 2014 in Kooperation von Ärzten, Frauenrechtlern und anderen Gruppen der Zivilgesellschaft durchgeführt. Aus Sicherheitsgründen wurden die Namen der Beteiligten nicht veröffentlicht.

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Je 500 Frauen der irakischen Provinzen al-Wasit und al-Qadisiyya wurden für die Studie untersucht. Die gesammelten Daten lassen darauf schließen, dass die Mehrzahl der Frauen in ihrer Kindheit Genitalverstümmelung erleiden mussten, meist bevor sie das Alter von zehn Jahren erreicht hatten. Die Gründe der Praxis lassen sich in religiösen Überzeugungen, kulturellem Erbe und Tradition finden; meist wird die Genitalverstümmelung durch eine Krankenschwester oder Hebamme durchgeführt.

Angesichts der herausfordernden Sicherheitslage und der prekären Sozialverhältnisse, unter denen die Studie durchgeführt werden musste, können ihre Ergebnisse nur als vorläufige Indikatoren gelten, die dringend weitere Untersuchungen nach sich ziehen müssen. Daten, die im vergangenen Jahr von UNICEF vorgestellt wurden, ließen vermuten, dass die Praxis in der Region so gut wie unbekannt sei. Die neuen Erkenntnisse stellen diese Folgerung in Frage und verlangen eine genaue Untersuchung.

Weibliche Genitalverstümmelung ist ein schwerer Verstoß gegen die Menschenrechte. Nach der UN-Deklaration über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen stellt sie eine Form von Gewalt gegen Frauen dar, ihre Abschaffung wird von den internationalen Organisationen für Frauenrechte explizit gefordert.

Die jetzt vorliegende neue Studie leistet einen Beitrag zu bahnbrechenden Untersuchungen über die Verbreitung weiblicher Genitalverstümmelung im Nahen Osten. Noch vor kurzer Zeit behaupteten offizielle Statistiken, dass weibliche Genitalverstümmelung grundsätzlich „ein afrikanisches Problem“ sei und im Nahen Osten nicht vorkomme. Die deutsch-irakische Organisation Wadi führte 2009 in den kurdischen Provinzen des Iraks eine erste umfangreiche Studie durch. Sie kam zum erschreckenden Ergebnis, dass Genitalverstümmelung bei 72% der Frauen in der Region vorgenommen wurde. Eine ähnliche Studie wurde drei Jahre später in der Region von Kirkuk durchgeführt. Hier waren 38% der Frauen betroffen – damit war der unwiderlegliche Beweis erbracht, dass Genitalverstümmelung bei Frauen nicht auf die kurdischen Gebiete beschränkt ist.

Daraufhin wurde eine Kampagne zum Ende der Genitalverstümmelung bei Frauen im Nahen Osten gestartet (http://www.stopfgmmideast.org/). Ihr Ziel ist es, die wahre Verbreitung der Genitalverstümmelung im Irak, der ganzen Region und anderen Teilen Asiens aufzudecken und der Praxis ein Ende zu setzen.

Aus dem Englischen Übersetzt von Jan Schenkenberger