Am 6. Februar 2022, dem Internationalen Aktionstag gegen weibliche Genitalverstümmelung, veranstaltete Wadi eine Fachkonferenz zum Thema. Ziel war, den langfristigen Ansatz zur Beseitigung von Genitalverstümmelung in Irakisch-Kurdistan zu präsentieren sowie Herausforderungen und Ziele der Kampagne zu diskutieren, die vor fast zwanzig Jahren ins Leben gerufen wurde. Zahlreiche Vertreter aus NGOs und Presse nahmen an der Konferenz teil.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Wadi und anderen Organisationen stellten gemeinsam mit weiteren Aktivisten Schlüsselmomente, Erfolge und Schwierigkeiten ihrer Kampagne vor, eine lebhafte Diskussion mit einer Frage-Antwort-Runde schloss sich an.
Die Entwicklungen der letzten Jahre sind sehr ermutigend. Einiges deutet darauf hin, dass Genitalverstümmelung in der Provinz Halabja nicht mehr praktiziert wird, auch in Germian wurden seit 2020 keine neuen Fälle mehr registriert. Trotz dieser Erfolge bleibt noch viel zu tun. Da aber die Kapazitäten von Wadi begrenzt sind, hat die Organisation andere Akteure, lokale Aktivisten und internationale Organisationen bis hin zur UN, aufgerufen, sich einzubringen und die Bemühungen zu verstärken.
“Last year, we visited many villages, cities, and towns and found that [FGM] circumcision was still ongoing in Kurdistan and many cases were recorded in villages the surrounding neighborhoods and center of Erbil,” Payam Ahmed, a representative from Wadi, a German non-governmental organization combatting gender-based violence, told Rudaw’s Dlnia Rahman during a conference held on the International Day of Zero Tolerance for Female Genital Mutilation in Erbil.“ (Bericht von Rudaw über die Konferenz)
Ein Mitglied des Wadi-Teams berichtete über die Situation in Erbil: Genitalverstümmelung ist hier noch immer weit verbreitet. Teile der Gesellschaft sind sehr konservativ und traditionell. Für sie gehört Genitalverstümmelung zu einem schützenswerten Teil ihrer Identität. Strategien zur Bekämpfung der Genitalverstümmelung müssen immer an die Umstände und Mentalitäten vor Ort angepasst werden. Auch die Rolle der Männer bei der Bekämpfung von Genitalverstümmelung wurde bei der Konferenz breit thematisiert. Wadi hat in der Vergangenheit viel Erfahrung darin gesammelt, Aufklärungsstrategien für die lokale Bevölkerung zu entwickeln und hat dabei die Rolle der Männer stets zu einem besonderen Schwerpunkt der Kampagne gemacht. Auch dieses Engagement muss weiter verstärkt werden, wie auch mehrere teilnehmende NGOs forderten. Ungeklärt blieb nach einer intensiven Diskussion die Frage, ob Genitalverstümmelung auch im Südirak praktiziert werde. Hier wird dringend eine breitere, verlässliche Datenbasis benötigt. Dafür wäre eine große, international geförderte Studie vonnöten.

Einigkeit herrschte darüber, dass eine politische Initiative zum Verbot von Genitalverstümmelung im Irak die Situation im ganzen Land verbessern könne und Unterstützung verdient. Dabei wurde die Forderung aufgestellt, Geistliche und Politiker zu einem verstärkten Engagement aufzurufen: erst kürzlich wurde über eine Änderung des Gesetzes beraten, das Genitalverstümmelung als Aspekt häuslicher Gewalt und besonders als Gewalt gegen Kinder verbot. Um dieses Verbot weiterhin aufrechtzuerhalten ist weitere Lobbyarbeit unerlässlich; in diesem Zusammenhang gaben eine ganze Reihe von Organisationen ihrer Frustration Ausdruck, dass bisher kein einziger Fall von Genitalverstümmelung vor Gericht verhandelt wurde, die Umsetzung des Verbots lässt in der Praxis deutlich zu wünschen übrig.
Diese Problematik fand ihren Ausdruck auch auf der Konferenz selbst: eine NGO stellte die Frage, warum keine Politiker und keine Vertreter der UNFPA zur Konferenz eingeladen worden waren – dies war allerdings nicht der Fall: Wadi hatte Einladungen ausgesprochen, allerdings fanden sich keine Vertreter dieser Gruppen, die an der Konferenz teilnehmen wollten. Wadi hätte ihre Anwesenheit und ihre Beiträge sehr begrüßt, insbesondere nach dem ehrgeizigen COMBI-Plan, der bereits 2019 von UNFPA und dem Hohen Rat für Frauenangelegenheiten angekündigt wurde. Er sollte durch das Europäische Regionale Entwicklungs- und Schutzprogramm für Libanon, Jordanien und Irak (RDPP) unterstützt werden, er beinhaltete einen 18-monatige öffentliche Kommunikationsoffensive. Der COMBI-Plan wurde mit Spannung erwartet und wir hätten gerne von den Erfolgen und den gewonnenen Erkenntnissen gehört.
Das Bedürfnis nach weiterer Öffentlichkeitsarbeit bleibt ungebrochen; so wurde auch der Wunsch geäußert, ob die von Wadi erstellte Broschüre, die auf Kurdisch und Englisch vorlag, auch ins Arabische übersetzt werden könne. Auch die Konferenz selbst führte zu einem erneuerten und verstärkten Interesse am Thema, das sich in breiter Berichterstattung in den lokalen Medien widerspiegelte.
Mehr über die Kampagne von Wadi gegen FGM